Microsoft-Chef Steve Ballmer

Eine Reihe neu entstandener Allianzen zeigt, dass die Welt für Microsoft seit Ende seines Kartellprozesses anders aussieht. Zwar ist die Dominanz von Windows (und Microsofts Office) am PC ungebrochen. Und mit über 40 Mrd. Dollar flüssigen Mitteln im Geldspeicher ist der Riese für jede Art von Schlacht um Marktanteile gerüstet.

Primgeiger

Aber die Zeichen mehren sich, dass andere Industriegiganten entschlossen sind, Microsoft in neu entstehenden Märkten nicht mehr die Rolle des Primgeigers zu überlassen. Zwei Deals, die bei der Consumer Electronics Show in Las Vegas vergangene Woche bekannt gegeben wurden, belegen diese Entwicklung im "heißen" neuen Markt Onlinemusik: Der frühere Microsoft-Erzfeind Apple (der sein Comeback vor einigen Jahren nicht zuletzt durch einen Waffenstillstand und einer 150-Mio.-Dollar Beteiligung durch Microsoft schaffte) wird zum musikalischen Hoflieferanten von Hewlett-Packard (HP), zweitgrößter IT-Konzern der Welt nur knapp hinter IBM.

Grenzen

Und IBM schloss einen Vertrag mit dem Onlinemusikhaus und Softwarehersteller RealNetworks zur Entwicklung eines digitalen Rechtesystems, das mit Microsofts digitalen Rechtemanagement konkurriert. Erst vor kurzem bildeten auch Intel, Nokia, Samsung, Toshiba und Matsushita (Panasonic) ein Konsortium, um die Expansionsbestrebungen Microsofts in Richtung Unterhaltungselektronik zu begrenzen.

Ausgestochen

HP wird ab Sommer Apples marktführenden MP3-Player iPod unter eigenem Label verkaufen. Und was Microsoft, das selbst keine solche Hardware herstellt, mehr schmerzen wird: Künftig wird auf PCs von HP (weltweit zweitgrößter Hersteller hinter Dell) Apples iTunes-Musiksoftware und Onlinedienst installiert und somit gleichberechtigt mit dem Windows Media Player auftreten, erklärte HP-Chefin Carly Fiorina. Für den angekündigten Microsoft-Musikdienst ist damit ein wichtiger Partner verloren gegangen.

Apple zeigt mit dem Schritt, dass es seine Lektion aus der verlorenen Schlacht um den Desktop gelernt hat: Statt wie bei seinen Macs alleine die Welt verbessern zu wollen, verlässt es bei Musiksoft- und -hardware seine exklusive Nische. Dementsprechend verschnupft reagierte Microsoft: Der HP/Apple-Deal würde die "Wahlfreiheit begrenzen und Konsumenten schaden", kommentierte David Fester, der Microsofts digitale Medienabteilung leitet. Er spielte damit auf das von Apple verwendete Dateiformat an, das mit dem Windows-Mediaformat nicht kompatibel ist - das seinerseits ein Microsoft-Unikat ist.

Widerstandsnester

Musik ist nur das jüngste Feld des Widerstands gegen Microsoft: Mit Linux gibt es am Servermarkt (und in fernerer Zukunft bei Officesoftware) Gegenwind, während bei Handys Windows gegen Nokias Symbian-Schutzschild nicht vorankommt. (Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 13. Jänner 2004)