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Wien - Theoretisch dürfte es sie ja gar nicht geben. Schließlich haben Hausbesitzer - und in Konsequenz Hausverwaltungen und Hausbesorger (oder jene Unternehmen, die angeblich diese Institution ersetzen) - bei Schneefall ja nicht nur die Pflicht, die Gehsteige zu räumen, sondern auch die Dächer in einen gefahrlosen Zustand zu bringen: Einfach nur Stangen (mit oder ohne Dachlawinen-Warnhinweis) an die Hauswand zu lehnen ist zu wenig.

Dass die Wirklichkeit anders aussieht, beweist - oder bewies - die ganz normale Alltagsempirie: Die Zahl der Dächer freischaufelnden Winterdienste dürfte sich im einstelligen Bereich bewegen.

Fahrbahn dem Gehsteig vorziehen

Passanten, die - angesichts beidseitig der Straßen aufgestellter Dachlawinenwarnschilder - in kleinen Gassen die Fahrbahn dem Gehsteig vorziehen, sind in Sachen Risikovermeidung deshalb gut unterwegs: Autos haben schließlich Lenker und Bremsen - Dachlawinen nicht. Außerdem sieht man Erstere eher als Letztere und kann - theoretisch - sogar auf den Vertrauensgrundsatz bauen.

Von einer Dachlawine getroffen zu werden ist vor allem im verbauten Gebiet kein Spaß: Während eines 20-Meter-Sturzes - die Wiener Regeltraufhöhe liegt bei 26 Metern - kann so ein Schneebatzen auf bis zu über 70 km/h beschleunigen. Und ein Kubikmeter Nassschnee kann bis zu 500 Kilo schwer werden.

Ausschließlich mit nach oben gewandtem Blick die Straßen entlangzuwandern hilft wenig: Allein das Vermeiden des von vorbeifahrenen Autos (oder den Passanten knapp verfehlenden Dachlawinen) aufgewirbelten Gatsches fordert mobile Stadtbenutzer voll.

Lösung? Zu Hause auf den Frühling warten. Oder aber Vertrauen ins Schicksal - und eine gute Putzerei. (rott, Der Standard, Printausgabe, 13.01.2004)