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Die Rivalen Premier Mehmet Ali Talat (links) und Präsident Rauf Denktas.

Foto: EPA/STRINGER
Ein Ziel hat der 52-jährige Chef der Republikanischen Volkspartei Nordzyperns (CTP), Mehmet Ali Talat, am Montag erreicht: Er wird Ministerpräsident der türkischen Republik Nordzypern, ein Staat, den weltweit niemand außer der Türkei anerkennt. Sein zweites Ziel, eben diesen Staat abzuschaffen und den Norden Zyperns nach 30 Jahren Teilung wieder mit dem griechischen Süden zu vereinen, dürfte noch wesentlich schwieriger zu erreichen sein, als es das erste schon war.

Seit Gründung der türkischen zypriotischen Republik 1982 ist Talat der erste Premier, der in erbitterter Opposition zum türkischen Dauerpräsidenten Rauf Denktas steht. Das war nicht immer so. In der ersten Hälfte der Neunzigerjahre saß Talat als Juniorpartner bereits dreimal in einer Regierung, die Denktas unterstützte. Damals war sein jetziger Juniorpartner, der Präsidentensohn und Vorsitzende der Demokratischen Partei (DP), Serdar Denktas, Ministerpräsident und Talat sein Vize.

Seitdem hat sich das Verhältnis von Talat zu Denktas senior dramatisch verschlechtert. Talat will eine politische Lösung auf Zypern, weil er die Zukunft auch der türkischen Zyprioten in der EU sieht, wohingegen Denktas senior seit Jahren alles tut, um Verhandlungen mit den Griechen zu unterlaufen. Talats Ziel bei den Wahlen war deshalb vor allem, Denktas senior als Verhandlungsführer abzulösen.

Dieses Ziel hat der zweifache Familienvater verfehlt. Seine Partei wurde zwar stärkste Kraft, erreichte aber zusammen mit der anderen Oppositionspartei BDP unter Führung von Mustafa Akinci nur 25 der 50 Parlamentssitze. Um eine Koalition mit Denktas junior bilden zu können, musste er die bittere Pille schlucken, dass Vater Denktas Verhandlungsführer bleibt.

Mehmet Ali Talat ist kein Volkstribun, sondern eher ein Hinterzimmerpolitiker. Ideologische Streitereien schleifen sich in der winzigen Politikergemeinde Nordzyperns, wo jeder jeden von klein auf kennt, sowieso schnell ab. Talat, der an der Technischen Universität in Ankara als Elektroingenieur ausgebildet wurde, ist ein Mann des Kompromisses.

Der wird allerdings nun extrem schwer. Die Positionen von Denktas senior und dem zukünftigen Premier sind absolut unvereinbar. Wer von beiden letztlich Erfolg hat, hängt fast ausschließlich davon ab, wer in Ankara mehr Unterstützung mobilisieren kann. Und da ist Denktas senior eindeutig im Vorteil. Während er seit Jahrzehnten im Außenministerium und beim Generalstab ein- und ausgeht, wurde Talat von der türkischen Diplomatie bislang schlicht ignoriert. Er hat nur dann eine Chance, wenn es ihm gelingt, den Newcomer in Ankara, Ministerpräsident Tayyip Erdogan, zu seinem eigentlichen Koalitionspartner zu machen. (Jürgen Gottschlich/DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2004)