Wien – Wie soll denn die Person sein, die schon bald das höchste Amt im Staat innehaben wird? Ein Mann wie bisher, oder ist es Zeit für eine Frau an der Staatsspitze? Soll er oder sie das Land mehr nach außen repräsentieren oder eher um den innenpolitischen Ausgleich bemüht sein?

Die Frage nach dem Anforderungsprofil für angehende Staatsoberhäupter beschäftigt die Parteisekretariate seit Monaten. Sachdienliche Hinweise liefern Meinungsforscher und Politikwissenschafter.

Kein Zwischenrufer

market-Chef Werner Beutelmeyer relativiert im Standard- Gespräch die Bedeutung der höchsten Staatsfunktion: "Das Amt des Bundespräsidenten wird von der Bevölkerung als nicht besonders relevant eingestuft." Die Richtschnur für den Amtsinhaber spannt Beutelmeyer so: "Figur ,Übervater oder -mutter‘ ohne besondere politische Kompetenzen. Härte und Durchsetzungsfähigkeit ebenso wenig notwendig wie eine politische Vision. Kein Zwischenrufer, aber eine moralische Autorität, die glaubwürdig, sympathisch und etwas über den Parteien stehend erlebt wird."

Dass die Annullierung von Ferrero-Waldners erster Ehe wahlbedeutsam sein könnte, glaubt der Linzer nicht: "Das spielt keine essenzielle Rolle."

Anders sieht das ifes-Forscherin Imma Palme. Die Eheannullierung sei ein "Schuss nach hinten – gerade in wirklich katholischen Kreisen. Da ist es als Wahlkampfgag und nicht als inneres Bedürfnis angekommen." Sie beobachtet ein Bedürfnis in der Bevölkerung, dass "die seit Jahren – bis auf Kardinal König – nicht mehr besetzte Rolle als moralische Autorität" vom nächsten Staatsoberhaupt besetzt werden solle. Daneben sei es noch immer "extrem wichtig", dass der Präsident "Österreich im Ausland gut vertritt".

Beide Kandidaten, Heinz Fischer für die SPÖ und Benita Ferrero-Waldner für die ÖVP, "erfüllen verschiedene Aspekte davon". Ferrero-Waldners Vorteile sieht Palme in deren Vielsprachigkeit und Auslandserfahrung und "dass sie nach wie vor das beliebteste Regierungsmitglied ist". Nachteilig könnte ihr das Image als "Schüssels Sprachrohr" ausgelegt werden.

Fischer werde "paradoxerweise, weil er ja ein ausgewiesener SP-Politiker ist, als sehr ausgleichend und überparteilich" gesehen, wohl wegen seiner langen Amtszeit als Nationalratspräsident.

Der Politologe Fritz Plasser vom Institut für angewandte Politikforschung sagt, die Rollenerwartungen der Öffentlichkeit an den Präsidenten "haben sich in den letzten zehn Jahren deutlich verändert. Jahrzehntelang war das klassische Amtsverständnis als repräsentative Funktion und harmonisches Zentrum, das Ausgleich vermitteln soll, die Kernerwartung."

Repräsentation und Ausgleich seien zwar weiter "bedeutsam, aber nicht spielentscheidend". Daher seien "beide Kandidaten gut beraten, auf Innovation und Veränderung des Amtsverständnisses zu setzen", meint Plasser.

Außenpolitische Auftritte seien durch die "EU-zentrierte Politik Österreichs" sowieso eingeschränkt. Und "in der innenpolitischen Arena stößt der Bundespräsident sehr schnell an seine Grenzen".

Plassers Modernisierungsvorschläge: Stärkere Themensetzung abseits der Innenpolitik im Sinne einer "Intellektualisierung des Amtes" und eine Ombudsfunktion für Gruppen, die im Parteiensystem schwächer vertreten sind. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 13.1.2004)