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Rainhard Fendrich bei seinem Auftritt an der "Austria Night", im Rahmen des Festivals Live at Sunset, im Innenhof des Schweizerischen Landemuseum in Zürich, am Samstag, 26. Juli 2003.

Foto: APA/Walter Bieri/KEYSTONE
... und die Protagonisten lassen keinen Schmutzkübel ungeleert: die Anatomie einer Krise

Was aus Rainhard Fendrich geworden ist, erkennt man, sofern man Zeit und den Sender findet, auf ATV+. Dort sitzt ein aufgekratzter, sich mit Mühe (für) jung haltender Mann, der im Interview zu allem bereit zu sein scheint. Sein goldgelb gefestigter Haarschopf ragt griffig empor, als würde er sich in der Not selbst daran hochgezogen haben. Seine Lederjacke fordert Härte ein. Die ebenfalls ledernen Wangen wirken so schwer, als laste die Bühnenschminke der letzten Jahre darauf. Sammelt er noch ein paar Monate, hat er Dieter Bohlen auch in dieser Hinsicht erreicht. Als selbst ernannter "Jahrhunderthirsch" hat er es immerhin schon auf die Seite eins der Bild-Zeitung gebracht.

Was seine Karriere als Künstler betrifft, hat ihn die einschlägige Presse bereits sanft zum "Popbarden" rückgestuft. Wenn meine nächste CD ,Fernweh’ kein Erfolg wird, bin ich pleite“, behauptet er. – Nicht seine schmerzlichste Aussage dieser Tage. Außerdem wird „Fernweh“ natürlich ein Erfolg, vielleicht wird ja seine Scheidung darauf besungen. Denn um das Künstlerische geht es hier nicht. Die Achtzigerjahre, in denen er schöne Lieder mit österreichischen und trotzdem guten, zum Teil sogar berührenden Texten gemacht hat, sind vergessen. „Erinnerung is’ nur a Reifenspur im Sand“, hat er selbst einmal gedichtet. Als Österreicher aus Gewohnheit schon nicht mehr so stolz auf ihn war, war er es im Gegenzug auf Österreich. Damals, am Höhepunkt der Waldheim-Affäre, sang er – „und waun du wüßt a gonz ala: I am from Austria.“ Danach überfiel er Deutschland und moderierte „Herzblatt“. Ab da war es nicht mehr zwingend notwendig, seine Karriere mitzuverfolgen. Man musste sich aber auch keine Sorgen um ihn machen. Er hatte Ehefrau Andrea, die ihn managte.

Ausgerechnet vor dem erfolgshungrigen Boulevardkomödianten und ATV+-Neueinsteiger Dieter Chemelar zerfällt diese Ehe nun in immer kleinere Stücke. Das Problem ist dabei weniger, wie die Privatsphäre Fendrichs vor der Öffentlichkeit geschützt werden kann, als wie sich die Öffentlichkeit vor der Privatsphäre Fendrichs schützen soll. Denn diese ist dank einer noch nie da gewesenen Ausschüttung von (vermeintlich) enttäuschtem Liebes-Adrenalin zum austromasochistischen Gesprächsthema Nummer eins geworden. Fendrich bittet Österreich und Deutschland um Verständnis. Er müsse die Schmutzwäsche waschen, sagt er: „Sonst wird sie niemals sauber.“ So erfährt das Volk gnadenlos von sexuellem Entzug, fremden Unterhosen in seinem Kleiderschrank, der Übersiedelung vom Ehebett auf den Dachboden und ähnlichen Grausamkeiten.

Not oder Taktik

Was in Fendrich gefahren ist und warum er sich in dieser Weise als gehörnter Ehemann in die Auslage stellt – darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Sein Freund und Seelenstriptease-Förderer Dieter Chmelar behauptet: „Ein Künstler, der genetisch auf Wieder- und Weitergabe innerster Gefühle determiniert ist, kann einfach nicht anders. Wer in 400 Liedern sein Gefühlsleben ausbreitet, muss das auch im Fall ganz persönlicher Verzweiflung tun dürfen.“

Andere stellen die Ver zweiflung in Frage. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Männer solche Schlappschwänze sind“, sagt etwa die erfahrene Dagmar Koller: „Das ist eher PR für sein Musical, in Deutschland hatte man ihn ja schon fast vergessen.“

Sogar für Christine Lugner ist die aktuelle Fendrich-Tour zu billig. „Wie unehrlich und feig!“, empört sie sich vor Reportern: „Zuerst hat ihn Andrea aufgebaut, als Dank versucht er sie jetzt zu zerstören, indem er sie über die Medien niedermacht. Das ist ja peinlich.“

Aus juristischer Sicht ist Fendrichs Offenbarung eher vorauseilende Prozesstaktik für das Scheidungsverfahren. Angeblich spekuliert Ehefrau Andrea mit einer Abfindung in der Höhe von einer Million Euro. „Wird aufgrund seines Verschuldens geschieden, stehen ihr bis zu 50 Prozent seines Netto-Einkommens zu“, sagt Anwalt Eduard Wegrostek. Als Grund des Verschuldens kommt eine junge Berliner Tänzerin in Frage, mit der er seit einiger Zeit liiert ist. Sie habe ihm nach einer „anstrengenden Theaterprobe“ jenes Mineralwasser aus der Kantine gebracht, das zu holen seine Ehefrau Andrea zuvor verweigert hatte. „Ich lass mir aber nicht das Klischee vom alternden Popstar mit der 20 Jahre jüngeren Tänzerin draufdrücken“, sagt Rainhard Fendrich. (DER STANDARD, Printausgabe 10./11.01.2004)