Wenn zwei Kontrahenten alles zurücknehmen und das Gegenteil behaupten, dann sind sie sich am Ende erst recht wieder nicht einig. Ungefähr das scheint jetzt den Israelis und den Palästinensern zu widerfahren.

Jahrzehntelang waren die Israelis dagegen, dass das Land westlich des Jordans zwecks Schaffung des von den Palästinensern angestrebten eigenen Staates geteilt wird. Jetzt, da der israelische Regierungschef Ariel Sharon eine "einseitige Trennung" herbeiführen will, findet sein palästinensischer Kollege Ahmed Korei, dass man hübsch beisammenbleiben sollte, und wärmt plötzlich die alte Idee von einem binationalen Staat auf, in dem Juden und Araber sich die Souveränität teilen würden.

"Wenn sie die Mauer weiterbauen, sehe ich nicht, dass die Zwei-Staaten-Vision möglich ist", sagte Korei am Donnerstag vor Journalisten. "Wir werden dann die Ein-Staat-Lösung anstreben - es gibt keine bessere Option."

Beide Herren bewegt dabei offenbar das gleiche Hauptmotiv, nämlich die Demografie. Schon heute stehen in Israel, dem Westjordanland und dem Gazastreifen zusammengenommen den 5,5 Millionen Juden fast fünf Millionen Palästinenser gegenüber. In einigen Jahren werden die Juden in der Minderheit sein.

Deshalb hat Sharon es jetzt mit der Entflechtung eilig. Doch die Grenzen, die der israelische Premier einseitig ziehen will, würden die Palästinenser laut Korei "wie Hühner in Käfige" sperren - da wäre es aus seiner Sicht besser, wenn die Palästinenser in einem gemeinsamen Zweivölkerstaat per Stimmzettel dominieren und die Juden durch die höhere Geburtenrate verdrängen.

Wäre der Vorschlag wirklich ernst gemeint, so würde er eine historische Kehrtwende signalisieren, denn die palästinensische Nationalbewegung hat bisher die Parole von einem "unabhängigen Staat" auf ihre Fahnen geschrieben. Doch es sieht ganz so aus, als wollte Korei Sharon nur taktisch ausmanövrieren, wohl wissend, dass der "binationale Staat" für die Israelis eine Horrorvision ist: "Ein binationaler Staat ist kein jüdischer Staat, es wird dann auf dem ganzen Erdball keinen jüdischen Staat geben", sagte der Abgeordnete Juval Steinitz von der regierenden Likud-Partei.

Doppelkritik Powells

Auch US-Außenminister Colin Powell verwarf das Modell postwendend: "Wir bleiben einer Zwei-Staaten-Lösung verpflichtet, das ist die einzige Lösung, die funktionieren kann - ein Staat für das palästinensische Volk, Palästina, und ein jüdischer Staat, Israel, der schon existiert." Die Schuld für den Verhandlungsstillstand sieht Powell bei der Palästinenserbehörde, von der er "verantwortungsbewussteres Handeln" forderte, "um den Terrorismus unter Kontrolle zu bringen". Zugleich distanzierte sich Powell von Sharons "einseitigen Maßnahmen": "Etwas, das man als Apartheid charakterisieren könnte, könnten die USA nicht akzeptieren", sagte er in Anspielung auf die Mauer. (DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.1.2004)