Wien - Am 3. Juni 2003 streikten die städtischen Verkehrsbetriebe mit unerbittlichem Stillstand gegen die Pensionsreform. Viele Wiener meinten, das könnten sie öfter tun. (Wartezeiten erübrigten sich, es wurde promeniert, gescherzt und geplaudert, man begrüßte den Frühsommer auf offener Straße.)

Andere fanden das gar nicht lustig. Ein harter Kundenkern will von den Wiener Linien sogar sein Fahrgeld zurück: 0,56 Euro - und keinen Cent weniger! Der Seniorenbund unterstützt in Form eines Musterprozesses diese sympathische Vergeltungsaktion. Zu dem Zweck versammeln sich ein paar geschäftige Herren (Richter, Anwälte) und ein paar sehr ernste - mit jederzeit abrufbarer Empörung über die verweigerte Serviceleistung - um einen Tisch im elften Stock des neuen Gerichtsgebäudes, von wo man gute Aussicht auf die weißen Dächer der diesmal vom Schnee bestreikten Bundeshauptstadt genießt.

Ein Sprecher der Fahrgäste erinnert sich an einen "Streik in Form eines sehr heiteren Weingelages" vor einer Straßenbahnremise und an "tratschend vor den Toren" befindliche Bedienstete. "Blockiert wurde nichts. Die Transparente dienten nur als Kulisse im Hintergrund", argwöhnt der Kläger. An die Führungsetage der Wiener Linien richtet er den Vorwurf, man habe nichts unternommen, um die Mitarbeiter von der Untauglichkeit des Streiks zu überzeugen.

Der Anwalt der Wiener Linien sieht das berufsbedingt anders. "In den Bestimmungen heißt es, dass die Beförderungspflicht entfällt, wenn der Ausfall von Fahrten nicht abgewendet werden kann", sagt er. Und der Streik sei nicht abwendbar gewesen, meint er.

Die zwei dramaturgischen Schwächen von Zivilprozessen bestehen darin, dass der Richter alles Gesagte für sein Aufnahmegerät noch einmal wiederholt, wodurch sämtliche Emotionen verloren gehen. Und wenn Streitparteien und Zuhörer endlich wissen wollen, wie der die Sache sieht, der sie entscheidet, sagt dieser: "Danke, das Urteil ergeht schriftlich."

(DER STANDARD, Printausgabe, 9.1.2004)