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Die Klientel der Kastanienallee sind Menschen, die oft unverschuldet, oft aus Gedankenlosigkeit im Obdachlosenheim gelandet sind. (Foto: Obdachlosenspeisung)

Foto: dpa/Matzerath
Wien - So berühmt wie das Obdachlosenheim in der Meldemannstraße war jenes in der Kastanienallee nie. Aber eines haben die beiden Institutionen über kurz oder lang gemeinsam: ihre Schließung. Die Meldemannstraße wurde erst kürzlich geräumt, die Obdachlosen andernorts untergebracht, das Haus in der Kastanienallee im 12. Wiener Gemeindebezirk, in dem seit Jahren immer wieder obdachlos gewordene Familien betreut wurden, wird in den nächsten drei Jahren geschlossen.

"Ambulante" Hilfe

Für Alfred Dangl, seit mehr als zwei Jahren Heimleiter, geht damit auch die Ära eines heute überholten Betreuungskonzeptes zu Ende. "Das Dilemma der Großeinrichtung" mit hohem Konfliktpotenzial unter den vielen Bewohnerinnen und Bewohnern wird beendet, man gehe dazu über, die paar Dutzend Familien, die derzeit die Kastanienallee ihr Quartier nennen, "ambulant zu behandeln". Das bedeutet, dass alle Familien in Gemeindewohnungen untergebracht werden, zu einem "Anerkennungsbeitrag von 150 Euro im Monat für Unterkunft und Betriebskosten", erklärt Dangl. Geplant ist, vorerst 50 Gemeindewohnungen für diese Familien bereitzustellen.

Der "Anerkennungsbeitrag" klingt der Höhe nach gering, doch ist er für jene, die ihn zahlen müssen, immer noch schwer aufzubringen. Die Klientel der Kastanienallee sind Menschen, die oft unverschuldet, oft aus Gedankenlosigkeit im Obdachlosenheim gelandet sind. Jene, die beispielsweise nach einem Wohnungsbrand mit ihrem letzten geretteten Hab und Gut die Dienste der Wiener Obdachlosenhilfe in Anspruch nehmen müssen, sind meist nach wenigen Monaten wieder imstande, für sich zu sorgen.

Konsum-Versuchung

Schwieriger ist es bei denen, die mit den Versuchungen der Konsumgesellschaft nicht umgehen können, wenn "das Handy und der Quellekatalog" in der Prioritätenliste weiter oben rangieren, als Miete und Betriebskosten. "Wir haben nicht die Oberschicht bei uns", erklärt Dangl zum Sozialstatus der Bewohner in der Kastanienallee, "die oft lange die Realität verweigern".

Künftig werden sie unter seiner und der Anleitung von vier weiteren Sozialarbeitern der MA 12 (Sozialamt) lernen müssen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Zwei Drittel würden das auch schaffen, nur rund zehn Prozent seiner Klientel bezeichnet Dangl als jene, "die ein zweites Mal kommen". Andere wiederum bräuchten länger die Betreuung von Sozialarbeitern. Früher seien obdachlose Familien über Jahre in der Kastanienallee wohnhaft gewesen. Mit dem Konzept, sie ambulant in Gemeindewohnungen zu betreuen, sollen sie binnen eines Jahres wieder selbstständig wohnen können. (Andrea Waldbrunner, Der Standard, Printausgabe, 07.01.2004)