Das Problem wollen Provider und Softwareentwickler nun nicht nur juristisch und mit Spamfiltern bekämpfen, sondern auch mit einer Verlängerung der Rechenzeit pro Mailversand am PC. Die Kosten der Spammer würden so in astronomische Höhen klettern.

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Sie haben Post. Einen Neujahrsgruß vom Studienkollegen aus Paris. Die Bestellbestätigung vom Onlineshop. Das tägliche Newsletter-Abo. Aber auch die übliche Ration unschlagbarer Angebote: Den "Elch-Extrakt", der "multiple Orgasmen" verspricht. Sie haben Spam. Schätzungen zufolge jagen täglich bis zu 13 Milliarden der unerwünschten Werbe- und Massenmails durch das Netz. Tendenz steigend. Die wachsende Zahl der Sendungen beeinträchtigt die Nutzung des Internets bereits heute enorm. Doch im schlimmsten Fall, schätzen Experten, könnte der E-Müll-Anteil am elektronischen Nachrichtenverkehr schon bald bei 90 Prozent liegen.

An Gegenmaßnahmen wird getüftelt: Spammer müssen zunehmend mit juristischen Konsequenzen rechnen. Nach und nach werden überall auf der Welt auf nationaler und internationaler Ebene Gesetze zum Schutz der Internetnutzer vor Mail-Müll erlassen.

Anti-Spam-Allianz

Auch Unternehmen machen sich für die Sache stark. Im Frühjahr vergangenen Jahres gründeten Microsoft, AOL und Yahoo eine Anti-Spam-Allianz. Gemeinsam wollen die Konkurrenten die Entwicklung von IT-Werkzeugen und das Setzen von Standards zur Abwehr von unerwünschten Massenmails vorantreiben. In Österreich beschloss der Providerverband ISPA vergangenen Dezember im Spam Code of Conduct das gemeinsame Vorgehen gegen Spams. Unter anderem einigten sich die Provider darauf, aktive E-Müll-Absender mit Sperren zu belegen, falls sie ihre Tätigkeit nach vorangehender Aufforderung nicht sofort einstellen.

"Der Provider-Pool versucht, das Problem schon bei der Infrastruktur in den Griff zu kriegen", sagt Joe Pichlmayr, Geschäftsführer des österreichischen Antivirenspezialisten Ikarus. Die Lösung des Spamproblems dürfe nicht den Anwendern aufgebürdet werden: "Diese Aufgabe liegt ganz klar bei den Infrastrukturanbietern." Der Vorteil dabei: Die Spam-Mails werden abgefangen, bevor sie den Server des Providers verlassen. So verursachen sie weniger Traffic und damit weniger Kosten. Das ist vor allem für die wachsende Zahl der Smartphone-Nutzer von Bedeutung, die unterwegs Mails und Multimediale Nachrichten (MMS) abrufen. "Wenn jemand ein paar Tage seine Mails nicht abruft und dann plötzlich ein paar Hundert Nachrichten laden muss, kann das - besonders wenn im Ausland auch noch Roaming im Spiel ist - schnell zu einer sehr teuren Angelegenheit werden", sagt Pichlmayr, der 2003 den Call Informations-und Kommunikationstechnologie des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds gewann.

In Österreich bietet Telekom Austria ihren Kunden einen derartigen Spamfilter an. Anderen Mailnutzern bleibt die Möglichkeit, sich mit Software zu schützen, wie sie derzeit am Markt angeboten wird. Die meisten Programme kombinieren eine Reihe von Verfahren zur Unterscheidung zwischen relevanten Mails und Spam wie etwa Contentfilter, Quellfilter, Signaturen oder Heuristik. Die Software unterzieht jede Mail aufgrund inhaltlicher Analyse und vordefinierter Regeln einer Prüfung und hilft so, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Ausschlaggebend für die Qualität von Spamfiltern sind letztlich zwei Faktoren: der Prozentsatz unerwünschter Mails, die abgehalten werden und die so genannte "False-positive-Quote", jener Anteil von erwünschten Mails, die fälschlicherweise als Spam qualifiziert werden.

Aber auch andere Möglichkeiten der E-Müll-Abwehr werden überlegt. Grundlegende Änderungen im System etwa, um in Zukunft jeden Mailabsender - wie im Telefonnetz - eindeutig zu identifizieren. Die Einführung von Gebühren pro versendeter Mail ist ein weiterer Vorschlag, der Massen-Mailer abschrecken könnte. Selbst minimale Kosten im Zehntel-Cent-Bereich, die für normale User kaum spürbar wären, schlagen empfindlich zu Buche, wenn die Absenderzahl in die Hunderttausende geht.

Mehr Rechenzeit

Auch Forscher bei Microsoft Research tüfteln an einer Methode, die Spammern in Zukunft teuer zu stehen kommen könnte. Sie wollen die Kosten durch den Verbrauch von Rechenzeit erhöhen: Für jede einzelne E-Mail, die versendet werden soll, muss der Computer ein kurzes mathematisches Problem lösen. Dann wird den Dateiinformationen der Mail ein Zertifikat hinzugefügt, das beweist, dass der Computer die Aufgabe gelöst hat. Von allen Servern werden nur noch derart zertifizierte Mails akzeptiert.

Wer in normalem Ausmaß Mails verschickt, wird die längere Rechenzeit, die der PC benötigt, nicht bemerken, wenn man z. B. annimmt, dass die Berechnung des mathematischen Problems einen durchschnittlichen Computer zehn Sekunden kostet. Zehn Sekunden pro Mailversand bedeuten aber auch, dass ein Rechner innerhalb von 24 Stunden maximal 8640 Nachrichten absetzen kann. Spammer, die Hunderttausende Nachrichten absetzen wollen, müssten neben empfindlichen Zeiteinbußen gewaltige Investitionen in leistungsfähigere Hardware in Kauf nehmen, so Microsoft-Forscher Andrew Goldberg: "Ihre Kosten würden in die Höhe schnellen wie eine Rakete." (Michaela Streimelweger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5./6. 1. 2004)