Wolfgang Amadé Mozarts planetarische Klangbotschaft scheint anno 2006 dazu angetan, auch den lebenden Musensöhnen Gutes zu tun.

Bild: M. Cremer
Vom Mozartjahr sollten nicht nur Interpreten, Funktionäre und Staats- Künstler profitieren, sondern auch Mozarts heute lebende Kollegen. Intendant Peter Marboe hätte das Zeug dazu, vor allem auch administrativ neue Wege zu beschreiten.


Wien - Man stelle sich den folgenden Fall vor: Ein wohlhabender Nachfahre eines noch wohler habenden Vorfahren betritt am heutigen Montag das honorige Geldinstitut seines Vertrauens und möchte ein stattliches Sümmchen beheben. Dort lagert nämlich seit Jahrzehnten sein ererbter Zaster. Er lagert nicht nur, sondern er hat sich mittlerweile natürlich auch zu so ansehnlicher Statur zinsesverzinst, dass es sich allein von diesen Erträgen in Saus und Braus leben lässt.

Doch am heutigen Montag tritt der erwähnte Nachfahre zu seiner bösen Überraschung vergeblich an den Schalter. Der hinter diesem waltende Beamte teilt ihm ebenso höflich wie unerbittlich mit, dass er auf das ererbte Vermögen und auch auf dessen Zinsertrag keinen Anspruch mehr hat. Denn mit diesem Tag sind es genau 70 Jahre, die seit dem Tod seines gütigen Vorfahren vergangen sind. Und nach dieser Frist erlischt nach dem Gesetz jeglicher Anspruch auf ererbtes Vermögen.

Begrenztes Erbrecht

Man vergegenwärtige sich nicht nur den empörten Aufschrei dieses bitter enttäuschten Klienten. Würde eine solche gesetzliche Regelung international wirksam, würden die allerorts angestimmten Wehklagen wohl bis ins Weltall dringen und Gerichtshöfe und Tribunale hätten alle Hände voll zu tun, um die unter Berufung auf das Grundrecht des persönlichen Eigentums eingereichten Klagen zu behandeln.

Von Kommunismus wäre da sicher auch gleich die Rede. Und die gegen den nach 70 Jahren eintretenden Verfall der Zugriffsrechte auf ererbtes materielles Vermögen Protestierenden dürften sich breitester Sympathien sicher sein.

Bei den so genannten geistigen Gütern verhält es sich allerdings gerade umgekehrt: 70 Jahre nach dem Tod ihres Urhebers verfallen die Eigentumsrechte auf literarische und musikalische Werke - die auf solche der bildenden Kunst sind noch nicht einmal geklärt - nämlich tatsächlich. Und dies unter breitester Zustimmung - auch jener Politiker, die in ihren politischen Sonntagsansprachen nur allzu gerne die geistigen Werte wortreich über die materiellen stellen.

Leichenfledderei

Das hat zur Folge, dass sofort nach Ende dieser 70-Jahre-Frist so genannte Bearbeiter an den frei gewordenen Werken meist unbegabte Hand anlegen und oft genug nur durch ein paar geringfügige Veränderungen durch ekelhafte Leichenfledderei weiterhin jene Summen lukrieren, die den rechtmäßigen Erben von da ab vorenthalten werden.

Paradoxerweise hatte man diesbezüglich gerade in den kommunistischen Systemen eine durchaus passable Regelung gefunden: Die Aufführungen von Werken längst verstorbener Komponisten wie etwa Tschaikowsky und Mussorgski wurden nach denselben Tantiemensätzen verrechnet, die für jene lebender Komponisten eingehoben wurden.

Der Erlös wurde unter die zahlreichen regionalen Komponistenverbände aufgeteilt. Durch diese Zuwendung erhielten diese die Möglichkeit, ihren Mitgliedern regelmäßig Kompositionsaufträge zu erteilen. Das hat immerhin dazu geführt, dass Komponisten damals vom Komponieren leben konnten und sich ihre Existenz nicht durch eine zermürbende Lehr- oder sonstige Tätigkeit zu sichern brauchten.

Das in zwei Jahren nicht nur Österreichs Musikleben durch die überflüssigsten Kulturschusseleien bedrohende Mozartjahr könnte immerhin der Anlass sein, ein ähnliches Pilotprojekt zu starten. Zumal es doch immer wieder heißt, Wolfgang Amadeus Mozart sei ein unsterblicher Komponist.

Man braucht kein philosophisches Seminar besucht zu haben, um zum Schluss zu kommen, dass einer, der unsterblich ist, logischerweise noch lebt. Und wenn dies bei Wolfgang Amadeus Mozart, wie alle behaupten, der Fall ist, dann liegt es wohl nahe, die Aufführungen seiner Werke nach jenen Tantiemensätzen zu verrechnen, die bei bezugsberechtigten lebenden Komponisten eingehoben werden.

Da anzunehmen ist, dass die Ermittlung direkter, erbberechtigter Nachfahren erfolglos bleiben wird, sollte man die erzielten Einnahmen einem Fonds zur Förderung und Unterstützung lebender österreichischer Komponisten zuführen. Dann wäre das als Musikland ausgerufene Österreich zumindest vorübergehend vielleicht nicht der feindseligste und kargste Boden für jene Unzahl von Künstlern, die leider nicht zu den wenigen Zarterln von Politik, Veranstaltern und Rezensenten gehören.

Hoffnung auf Marboe

Der - war es Zufall oder Absicht - just zu Faschingsbeginn am 11. 11. des Vorjahres präsentierte städtische Wiener Intendant des Mozartjahres, Peter Marboe, hätte das Zeug dazu, diesbezüglich erfolgreich aktiv zu werden. Zum einen scheint er in Sachen Mozart, mit dem ihn bisher nur der gemeinsame Anfangsbuchstabe des Schreibnamens verband, unverschlissen genug, um sich gegen die sich gegen ein solches Ansinnen erhebende Hydra von Gegenargumenten zu wehren.

Der beliebteste dieser Einwände, erhöhte Tantiemen bewirkten einen erhöhten Subventionsbedarf, ist für den Fall des Mozartjahres leicht zu entkräften. Bei der 2006 zu erwartenden Sturzflut überflüssiger Mozartproduktionen ist jedes Werk, das aus Kostengründen ungespielt bleibt, ganz sicher nur ein Gewinn.

Zum anderen hat Marboe schon zu seinem Amtsantritt angekündigt, er wolle kein nostalgisches Fest, sondern eher Initiativen setzen, die nachhaltige Wirkung versprechen. Auf künstlerischem Sektor lässt sich Nachhaltigkeit ganz bestimmt nicht programmieren.

Schon eher im Reglement der Verrechnungsbestimmungen. Und Österreichs Komponisten ein nicht aus Almosen und Steuergeldern, sondern aus nichts als Musik lukriertes Fundament zu geben wäre wohl der nachhaltigste Erfolg, der sich für ein Mozartjahr denken lässt. (DER STANDARD, Printausgabe vom 5.1.2004)