Rom - Das "Duell" der Neujahrskonzerte zwischen Wien und
Venedig hat in Italien heftige Kritik ausgelöst. Die Italiener
trauern dem Wiener Neujahrskonzert nach, das erstmals seit 30 Jahren
am Donnerstag nicht mehr live übertragen, sondern erst zeitversetzt
am Nachmittag gezeigt wurde. Ersetzt wurde es durch ein Konzert im
neu eingeweihten Venediger Theater La Fenice unter der Leitung von
Lorin Maazel mit Arien bekannter italienischer Opern. "Es war hart,
am Neujahrsmorgen aufzuwachen und im Staatsfernsehen nicht mehr die
Klänge aus Wien zu hören", schrieben enttäuschte Zuschauer in
Protestbriefen an die Direktion der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalt
RAI.
"La Traviata gegen den Radetzky-Marsch", kommentierten
italienische Zeitungen am Freitag, die das Konzert in Venedig als
fahle "Imitation" des Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker
bezeichneten. Trotz ausgezeichneter Akustik und einem gut
strukturierten Programm habe das Konzert in Venedig nicht die
Perfektion und den Charme der Veranstaltung im Wiener Musikverein
erreicht, kommentierte die römische Tageszeitung "La Repubblica".
Auch die Choreografien und die eingeblendeten Bilder eines
romantischen Venedigs seien nicht in der Lage, mit der Wiener
Konkurrenz mitzuhalten.
Kultur aus Fußball-Perspektive
"Wien besiegt Venedig 3:1. Obwohl die Musik in Venedig fantastisch
war, kann man Strauß zu Neujahr nicht besiegen. Es stimmt, die
Atmosphäre in Wien ist formaler: Der Saal, die Blumen, die Japaner,
doch es ist eine einmalige Welt", betonte der bekannte italienische
TV-Autor Gianni Boncompagni.
Anderer Ansicht ist der Regisseur und Ex-Präsident der Venediger
Biennale, Gillo Pontecorvo. "Die RAI hat eine gute Idee gehabt, am
Vormittag das Live-Konzert aus Venedig zu senden und nachmittags das
Wiener Event zu übertragen. Das Venediger Konzert hat mich
interessiert, seit über 20 Jahren beginne ich das Jahr mit den Wiener
Philharmonikern. Das Konzert aus Wien ist eine wunderschöne
Tradition. Doch das Programm ist im Grunde immer dasselbe, wir kennen
es in- und auswendig. Warum soll man nicht manchmal mit italienischer
Musik abwechseln? ", fragte Pontecorvo. (APA)