Mailand - Nach dem Zusammenbruch des insolventen italienischen Nahrungsmittelkonzerns Parmalat ist ein Krieg in der Unternehmerfamilie Tanzi ausgebrochen, die immer noch die Mehrheit an Italiens siebtgrößter privaten Unternehmensgruppe hält. Die verheerenden Vorwürfe der Bilanzfälschung betrügerischen Bankrotts und Bildung einer kriminellen Vereinigung, die auf den Firmengründer Calisto Tanzi lasten, haben zu einer tiefen Krise im Clan aus Parma geführt, der bis vor wenigen Wochen als musterhaftes Beispiel von italienischem Familienkapitalismus galt.

Der 35-jährige Sohn des Firmengründers, Stefano Tanzi, kehrte seinem autoritären Vater den Rücken. "Stefano redet nicht mehr mit mir", beklagte sich der "entthronte Milchkönig" bei den Ermittlern. "Ich habe seit längerem mit meinem Vater nichts mehr zu tun. Ich weiß nicht, was ihm eingefallen ist. Er hat uns alle betrogen", wurde der älteste Sohn des Großunternehmers von italienischen Medien zitiert. Der Spross der Unternehmerfamilie, den Calisto Tanzi an die Spitze des Parmalat-eigenen Fußball-Erstligisten AC Parma gestellt hatte, habe erst vor wenigen Wochen bei einer dramatischen Sitzung der Manager der Gruppe über das Loch im Wert von über 13 Mrd. Euro erfahren, das sein Vater in die Firmenkassen gerissen habe.

Bröckelnde Dynastie

Auch Tanzis Nichte, Paola Visconti, und sein Bruder Giovanni äußerten sich während der Vernehmungen mit den Staatsanwälten von Parma und Mailand kritisch über die Führung des Firmengründers. "Die Dynastie Tanzi bröckelt", kommentierte die römische Tageszeitung "La Republica" in ihrer Mittwochausgabe. Nur die älteste Tochter der drei Tanzi-Kinder, die 36-jährige Francesca, habe mit ihrem Vater in dieser schwierigen Phase Kontakt gehalten und ihn in der Mailänder Strafanstalt San Vittore besucht. Der Industrielle befindet sich seit Samstag in Untersuchungshaft.

Tanzi hatte den Ermittlern zu verstehen gegeben, er habe Millionen aus den Firmenkassen entwendet, um die Schulden einzudämmen, für die seine Kinder an der Spitze des Fußball-Klubs und der im Tourismusbereich spezialisierten Parmalat-Tochter, Parmatour, verantwortlich seien. Am Dienstag hatte der Nahrungsmittelzar die Bilanzlücke seines Konzerns bei etwa acht Milliarden Euro beziffert. Tanzi gab nach Angaben eines Anwalts auch zu, rund 500 Millionen Euro aus dem Konzern in andere Unternehmen abgezweigt zu haben.

Tanzi ist nicht nur mit seiner Familie auf Kriegsfuß. Der Großunternehmer und seine ehemalige "rechte Hand", Fausto Tonna, schieben einander gegenseitig die Verantwortung für die Insolvenz der Gruppe zu. Der Firmenchef beschuldigte Tonna, Drahtzieher des Finanzskandals zu sein und seit 15 Jahren Dokumente zu fälschen. "Tanzi kannte nicht nur alle Probleme der Gruppe. Er hatte den Befehl gegeben, sie mit Bilanz- und Dokumentenfälschungen zu verheimlichen", erwiderte Tonna.

Tanzi bereitet sich inzwischen auf eine Silvesternacht im Gefängnis vor. Der Mailänder Untersuchungsrichter Guido Salvini hatte am Dienstag einen Antrag der Rechtsanwälte Tanzis abgelehnt, die für ihren Mandaten Hausarrest gefordert hatten. Tanzi habe zwar ein Teilgeständnis abgelegt, dieses sei jedoch kaum glaubwürdig und müsse weiterhin überprüft werden, schrieb der Richter im Dokument, mit dem er den Antrag der Rechtsanwälte ablehnte. Der Industrielle habe nicht erklärt, wo die rund 13. Mio. Euro gelandet seien, die in den Firmenkassen fehlen. Tanzi habe keinerlei "Sensibilität für die rechtlichen Pflichten gezeigt, die ein korrektes unternehmerisches Verhalten erfordern", meinte der Richter. (APA)