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Simon Wiesenthal auf einem Archivbild von 1998

Foto: APA/Jäger
Wien - Es ist still geworden um Simon Wiesenthal, dem immer "Recht, nicht Rache" ein Anliegen war. Sukzessive hat er sich in den vergangenen Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Am 31. Dezember wird Wiesenthal 95 Jahre alt. In seine Fußstapfen als "Jäger" der noch letzten lebenden Nazi-Verbrecher ist Efraim Zuroff getreten, der bereits jener Generation angehört, die die Shoa nicht mehr miterlebt hat.

Werdegang

Simon Wiesenthal wurde am 31. Dezember 1908 in Buczacz in Galizien geboren, das damals zur Donaumonarchie gehörte und heute auf dem Gebiet der Ukraine liegt. Nach der Volksschulzeit in Lemberg und Wien und der Absolvierung der Mittelschule in Buczacz studierte er in Prag Architektur und schloss dieses Studium 1932 ab. Anschließend war er als Architekt und Bauingenieur in der Ukraine tätig. 1941 wurde er von den vorrückenden Deutschen verhaftet und überlebte bis 1945 - als er durch US-Truppen aus dem KZ Mauthausen befreit wurde - in insgesamt zwölf Konzentrationslagern.

Der Krieg trennte Wiesenthal auch von seiner Frau Cyla (m November dieses Jahres verstorben), die er seit der Schulzeit gekannt und 1936 geheiratet hatte. Es gelang Wiesenthal, seiner Frau im Untergrund falsche Dokumente, lautend auf Irene Kowalska, zu besorgen, mit denen sie ab 1942 zwei Jahre in Warschau lebte. Hilfreich waren dabei auch die blonden Haare Cylas. Danach wurde sie ins Rheinland als Zwangsarbeiterin verbracht. Die beiden fanden erst spät im Jahr 1945 wieder zueinander. 1946 kam Tochter Pauline auf die Welt.

Tätersuche

Schon in den Lagern hatte sich Wiesenthal die Namen jener gemerkt, die sich schuldig gemacht hatten. Ab seiner Befreiung widmete er sich der Suche nach Naziverbrechern, zuerst für das "U.S. War Crime Office" in der US-Zone Österreichs. Von Linz aus leitete er Jüdische Zentralkomitee der US-Zone für Österreich. 1947 gründete er das Jüdische Dokumentationszentrum.

1954 schloss er die Einrichtung aber wieder. Der "Kalte Krieg" ließ das Interesse und somit auch die Unterstützung für die Aufklärung von Kriegsverbrechen erlahmen. Wiesenthal schickte alle Akten nach Israel ins Holocaust-Forschungszentrum Yad Vashem. Nur einen Fall behielt er: Den von Hitlers "Endlöser" Adolf Eichmann. Wiesenthal hatte den Nazi-Schergen 1954 in Buenos Aires ausgeforscht, die israelischen Behörden waren aber skeptisch geblieben. Der Mann, der den Massenmord an den Juden organisiert hatte, wurde erst 1960 festgesetzt, in Israel vor Gericht gestellt und 1962 hingerichtet.

Einrichtung des "Simon Wiesenthal Center"

1961 eröffnete Simon Wiesenthal "sein" Dokumentationszentrum wieder, das über Spenden aus aller Welt finanziert wird. Unter den spektakulärsten - und für ihn wichtigsten - Fällen, die Wiesenthal aufgedeckt hat, befinden sich neben Eichmann jener von Karl Silberbauer, der die seinerzeit 14-jährige Anne Frank in Amsterdam verhaftet hatte und 1963 als Wiener Polizeiinspektor ausfindig gemacht wurde, 1967 die Aufspürung des KZ-Kommandanten von Treblinka, Franz Stangl, in Brasilien und 1987 die Festnahme des ehemaligen Ghetto-Kommandanten von Przemysl, Josef Schwammberger, in Südamerika.

Bis heute hat Wiesenthal mitgeholfen, mehr als 1.100 Fälle vor Gericht zu bringen, auch wenn bei weitem nicht alle zu Verurteilungen geführt haben. "Schauen Sie, ich bin mir bewusst, dass das, was ich fünf Jahrzehnte gemacht habe, nicht die Antwort ist, die die Nazis verdient haben. Hierfür hätte man 100 solche Büros gebraucht. Und hundert Menschen", zog Wiesenthal vor fünf Jahren Bilanz über seine Arbeit.

1977 wurde an der Jeshiva Universität von Los Angeles das "Simon Wiesenthal Center" gegründet. Heute hat es in den USA, in Kanada, in Israel und auch in Europa - mit Zentrale in Paris - zahlreiche Mitglieder. 1979 war Wiesenthal maßgeblich daran beteiligt, dass in den USA das "Office of Special Investigations" (OSI) eingerichtet wurde, das sich mit Personen befasst, die verdächtigt werden, an Nazi-Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Die Causa Waldheim

Jenes OSI sollte es dann sein, das zehn Jahre später die Entscheidung, den damaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim auf die "Watch-List" zu setzen, maßgeblich beeinflusste. Wiesenthal agierte nach seinen Prinzipien: Er prüfte Fakten, Aussagen und Dokumente und kam zu dem Schluss, dass Waldheim von Kriegsverbrechen gewusst habe, ihm aber eine Beteiligung nicht nachgewiesen werden könne.

Dass Waldheim "nicht immer die Wahrheit" über seine Kriegsvergangenheit gesagt habe und was er damit "Österreich angetan" habe, ließ Wiesenthal aber trotzdem den Rücktritt des Bundespräsidenten fordern. Anderseits ließ sich Wiesenthal jedoch auf heftige Konfrontationen mit dem massiv gegen Waldheim auftretenden "World Jewish Congress" (WJC) ein. Wiesenthal konnte damit sein Ansehen in Österreich nach langen Jahren eines ambivalenten Verhältnisses deutlich heben. In die innenpolitischen Schlagzeilen war Wiesenthal lange zuvor vor allem wegen seines Konfliktes mit dem SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky geraten.

Das Mahnmal am Judenplatz

In den neunziger Jahren setzte sich Wiesenthal, inzwischen Träger zahlreicher Auszeichnungen und Ehrendoktorate, massiv für das Holocaust-Mahnmal am Wiener Judenplatz ein. Das wichtigste für den Initiator des Mahnmals ist die Inschrift: "Mehr als 68.000 unschuldige Menschen wurden durch die Nationalsozialisten ermordet, nur weil sie Juden waren." Als Denkmal für sich sieht er das Denkmal nicht: "Nein, es ist ein Denkmal der Geschichte." (APA)