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Für alle, die sich zu den Feiertagen in eine andere Welt abmelden möchten, kommt der über neunhundert Seiten starke Wälzer Stephen Kings gerade recht.

Wolfsmond ist der fünfte Band des auf sieben Bände angelegten Breitwandzyklus vom Dunklen Turm. Daher gestaltet sich der Neueinstieg für Leser, die mit dem Opus magnum Kings nicht vertraut sind, ein wenig mühsam. (King weist übrigens in seinem Vorwort darauf hin, dass es besser wäre, den Zyklus von Anfang an zu lesen). Wolfsmond erweist sich als eine postmoderne Synthese aus verschiedenen Genres. Sciencefiction, Western, Thriller, Fantasy, Comics, Bilder und Anregungen aus dem Film - King nennt ausdrücklich zwei, nämlich Sergio Leone und Kurosawa - ergeben einen üppigen Stoff, der sich aus den altehrwürdigen Konstellationen der Mythen speist.

Der Held, genannt Roland der Revolvermann, und eine kleine Schar von Getreuen sind immer noch auf der Suche nach dem Dunklen Turm. Dabei müssen sie eine endlose Reihe von Abenteuern bestehen. Die Figuren finden sich in Zeitschleifen wieder und geistern unsichtbar durch das New York der 80er-Jahre wo auf einem unbebauten Grundstück eine magische Rose blüht. Sie bildet das manichäische Gegenstück zum Dunklen Turm und das Grundstück, auf dem sie wächst, muss unbedingt aus den Fängen der Bösen gerettet werden. In einer der Parallelwelten geraten Roland und die Seinen in ein Dorf, das von Kinder raubenden Reitern, genannt Wölfe, terrorisiert wird. Roland stellt sich den unheimlichen Feinden und rettet erwartungsgemäß die Kinder.

Aber das ist natürlich nur eine der vielen Stationen auf dem Weg zur endgültig erlösenden Heldentat. Dank seiner ungeheuren Erzählroutine gelingt King ein anregendes Märchen für gebildete Erwachsene. Das Riskante bei diesen fantasievollen Alles-ist-möglich-Ansätzen ist die Beliebigkeit. Dem steuert der Autor mit der Einhaltung fester Regeln entgegen. Der Revolvermann ist Einschränkungen und Gesetzen unterworfen, die Handlung daher in sich schlüssig. Auch ist die Figur Rolands durchaus schillernd und nicht eindimensional angelegt. Es gibt packendere und humorvollere Texte von King, aber die beiden Folgebände sind schon entworfen und die eingeschworenen Fans scharren mit den Hufen. (DER STANDARD, ALBUM, Printausgabe vom 20./21.12.2003)