Cody ChesnuTT
The Headphone Masterpieces
(One Little Indian/ Rave Up: Tel. 01 / 596 96 50)

Foto: One Little Indian
Mit insgesamt 39 Songs präsentiert Cody ChesnuTTein nicht gerade schmal ausgefallenes Debüt: The Headphone Masterpiece, ein musikalisches Tagebuch als Doppel-CD. Gespeist wurden ChessnuTTs musikalische Eintragungen aus einer Portion Zorn, die sich darauf bezogen hat, dass Codys Band The Crosswalk ihn rund um den Vertragsabschluss mit einem Major-Label entsorgt hatte und er sich plötzlich allein zu Hause, in seinem Sonic Promiseland genannten Studio wieder fand und also in selbsttherapeutischer Weise zur Tat schritt. HipHop-Fans sollte eines der entstandenen Resultate ein Begriff sein: The Seed (2.0). Jener Song, der The Roots einen formidablen Hit bescherte und der sich jetzt in seiner Originalversion auf Headphone Masterpiece findet.

Doch Masterpiece ist kein HipHop-Blueprint. ChesnuTT schuf ein wild wucherndes Hybrid: Sein Gesang erinnert an die warme Stimme von Ben Harper, ohne dessen Esoterik- und Spiritualitätsgestus für Scheinheilige. ChesnuTT entfahren durchaus Four-Letter-Words, ohne dass er dafür die Verantwortung bei höheren Mächten oder kosmischen Gleichgewichtsschwankungen sucht. Musikalisch baut sich der in Atlanta als Sohn eines Musikermanagers Geborene im 70er-Soul und Rock genauso ein wie in der Low-Fi-Nische der frühen 90er-Jahre. Parallelen gibt es zu Shuggie Otis und dessen Meisterwerk Inspiration Information ebenso wie zu den Alben von Beck - etwa dessen Absonderlichkeitensammlung Stereopathetic Soulmanure. Auch Mark's Keyboard Repair, das superbe Debüt des Beastie-Boys-Keyboarder Money Mark kommt einem hier in den Sinn.

Wie die genannten Beispiele bestechen ChesnuTTs Songs durch eine rohe Direktheit. Diese transportiert das verwendete Vierspuraufnahmegerät zu gleichen Maßen wie der Umstand, dass ChesnuTT die Songs meist in der Version der ersten Aufnahme festgehalten hat. Zu den Ergebnissen zählen brillante Soul-Miniaturen und exzellente Pop-Stücke, stimmungsvolle Bekenntnis-Balladen mit Blues-Geschmack und rare Ausrutscher wie das textlich peinlich geratene Somebody's Parents. Das ist bei fast 40 Songs entschuldbar. Ansonsten kann man den schon öfter angebrachten Vergleich mit einem Rohdiamanten hier guten Gewissens unterschreiben und gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass diesem Werk bald weitere folgen mögen. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.12.2003)