"Die konsequente Haltung der heimischen Filmschaffenden wurde honoriert", brachte es deren Dachverband in einer ersten hocherfreuten Aussendung auf den Punkt.

Mit Roland Teichmann, dem neuen Direktor des Österreichischen Filminstituts, hat VP-Kunststaatssekretär Franz Morak eine Bestellung vollzogen, die weit entfernt ist vom bisherigen Regierungskurs in Sachen Kultur: zuerst die Künstler auseinander zu dividieren und dann politisch genehme Personen zu befördern.

Die von Morak initiierte neue Diagonale, mittlerweile meist "Morakonale" genannt, fand wiederum ihr vorhersehbares Ende mit Schrecken. Es wird jetzt zu überprüfen sein, wie viel Subventionen hier bereits sinnlos verpulvert wurden, während sich der Staatssekretär vorläufig noch weigert, auch nur einen Gedanken an eine Förderung der "originalen" Diagonale rund um den Produzenten Alexander Dumreicher-Ivanceanu zu verschwenden. Vorläufig. Vielleicht geht Morak auch hier noch in sich, und vielleicht erweitert er sein vorläufiges Zugeständnis "Jeder Mensch macht Fehler" in ein präziseres "Ich habe hier ganz schwere Fehler gemacht".

Einen positiven Effekt haben Moraks destruktive Haltung und das ganze Tamtam rund um die heimische Filmbranche aber immerhin gezeitigt: Endlich liegt ein Präzedenzfall vor, aus dem man ablesen kann, dass auch in Österreich Politik sich eher an realen Bedürfnissen der Menschen zu orientieren hätte. Und nicht, dass umgekehrt die Politik, etwas irregeworden an ihren eigenen Problemen, den Bürgern irgendwelche Strukturen oktroyiert.

Die "Morakonale" war schlicht und einfach dilettantisch organisierter Unsinn. Und dass dies so nicht akzeptiert wurde, könnte Beispielwirkung auch für andere Kultur- und Lebensbereiche haben. Möglich war es zum einen durch couragierte Individualisten wie die vielen Mitarbeiter der "originalen" Diagonale, die sich engagieren, ohne dass sich das sofort "rechnet". Möglich wurde es erst recht, weil zum ersten Mal seit Jahren wieder in einer Weise politisch und ästhetisch argumentiert wurde, die wesentlich über das dumpfe Wiederkäuen von "Widerstand!" hinausging.

In diesem Sinne ist die "originale" Diagonale auch eine Aktion, die zu Recht auf Solidaritätsadressen etwa der französischen Cahiers du Cinema verweisen kann und an der auch ein Nanni Moretti in Italien helle Freude hätte.

Und noch ein Faktor war in der Causa Diagonale entscheidend, der noch genauer zu analysieren sein wird: Während in Wien SP-Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny bis dato eher verwechselbar eine alternative Kulturpolitik zu der des Bundes mehr behauptet, als sie zu praktizieren, haben die Grazer Stadtpolitiker exemplarisch die Konsequenzen gezogen: Nach genauer Abwägung der Konzepte (im Fall der "Morakonale" praktisch nicht vorhanden) und der Interessen der Filmschaffenden haben sie die "originale" Diagonale unterstützt - und damit das Schicksal der "Morakonale" besiegelt.

Es wird nun vor allem eines notwendig sein, um dauerhafte Konzepte für eine zukunftsträchtige Plattform des österreichischen Films zu entwickeln: Nur nicht in ein selbstgefälliges "Jetzt haben wir es denen aber gezeigt" verfallen! "Wir" - das ist gerade in der Filmszene ein überaus komplexes Geflecht individueller Interessen und Bedürfnisse, das weiterhin genauere Betrachtung erfordert - auch zum Vorteil des heimischen Kinos und Fernsehens.

Was nämlich ungleich schwieriger zu korrigieren sein wird als die willkürlichen Manöver Moraks, ist das anhaltende medienpolitische Debakel rund um den ORF. Unendlich komplex sind derzeit auch die Herausforderungen, vor die ein erweitertes EU-Europa die heimischen Medienmacher stellt. Das erfordert zuerst einmal einen auch selbstkritischen Blick, Mut zum Risiko. "In Gefahr und höchster Not ist der Mittelweg der Tod" wäre da einmal mehr ein akzeptables Motto. "Jeder Mensch macht Fehler" klingt dagegen nur albern. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2003)