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Ab 2004 keine Kopftücher, Kippas und große Kreuze mehr in franzöischen Klassenzimmern.
Foto: APA/Schlager
Paris - In Frankreich dürfen muslimische Schülerinnen künftig kein Kopftuch mehr tragen. Staatspräsident Jacques Chirac kündigte am Mittwoch an, nächstes Jahr sollten deutlich sichtbare religiöse Zeichen und Kleidungsstücke in öffentlichen Schulen gesetzlich verboten werden. Das betrifft auch größere christliche Kreuze und die jüdische Kippa. Derzeit liegt ein Verbot im Ermessen der Schulleitung. Weltanschauliche Neutralität sei ein Grundpfeiler der französischen Gesellschaft, sagte Chirac in seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede zum Verhältnis von Staat und Glaubensgemeinschaften.

Streit und Schulverweis

Nach offiziellen Angaben gab es im September 1.256 Mädchen, die mit einem Kopftuch in den Unterricht kamen. Die tatsächliche Zahl dürfte beträchtlich darüber liegen. Laut Innenministerium gab es 20 Streitfälle, sechs Mädchen wurden der Schule verwiesen.

Unauffällige religiöse Zeichen wie kleine Kreuze, der Davidstern oder die islamische Hand der Fatima würden weiter toleriert, erklärte Chirac. In Frankreich sind Staat und Kirche seit 1905 strikt getrennt. Der Staat ist zur Neutralität in Bekenntnisfragen verpflichtet. In Frankreich leben rund fünf Millionen Muslime, so viel wie in keinem anderen Land Europas. Mit seiner Entscheidung beendete der Präsident einen Streit, der die französische Gesellschaft seit anderthalb Jahrzehnten beschäftigt und der zum Symbol für den Umgang mit der islamischen Minderheit geworden ist.

Gesetz im nächsten Jahr

Chirac sagte, es sei nicht hinnehmbar, wenn unter "dem Deckmantel der religiösen Freiheit" die Gesetze und die Prinzipien der laizistischen Republik in Frage gestellt würden. Es gehe auch um die die Würde der Frauen. An der Verabschiedung des Gesetzes bestehen keine Zweifel. Chiracs rechtskonservative Regierung verfügt in beiden Parlamentskammern über klare Mehrheiten. Auch eine Mehrheit der FranzösInnen ist für ein Verbot.

Integrationsproblem

Der Vorsitzende des Islamrats CFCM, Daniel Boubakeur, rief die MuslimInnen auf, das Gesetz nicht als Diskriminierung zu verstehen. Dazu bedürfe es aber der Anstrengung auf beiden Seiten. Zuvor hatte der Rektor der Pariser Moschee erklärt, ein mögliches Kopftuch-Verbot habe unter den Gläubigen große Beunruhigung ausgelöst. Das eigentliche Problem sei das Scheitern der Integration muslimischer Jugendlicher.

Anpassung

Zustimmend äußerte sich dagegen der Rat der jüdischen Institutionen (CRIF). Das Prinzip der Gleichheit der Geschlechter sei nicht mit "sichtbaren Zeichen der Unterdrückung der Frau" zu vereinbaren. Alle, die in Frankreich lebten, müssten sich den dort geltenden Regeln und Gebräuchen anpassen. Auch der ehemalige sozialistische Bildungsminister Jack Lang begrüßte das Verbot, warnte aber, die von Chirac gewählte Formulierung könne zu Auslegungsschwierigkeiten führen.

Für die öffentlichen Krankenhäuser soll dem Präsidenten zufolge gesetzlich klargestellt werden, dass männliche Ärzte muslimische Frauen behandeln dürfen. Immer häufiger werde dies vom Ehemann oder dem Bruder verhindert, mahnte eine von Chirac eingesetzte Kommission. Auch private Arbeitgeber sollen ostentative Zeichen der Religionszugehörigkeit verbieten dürfen. (APA)