"Der Knabe"

Einer kulturgeschichtlichen Untersuchung des Knaben widmet sich der im Gerstenberg Verlag erschienene Bildband "Der Knabe" von Germaine Greer. Anhand insgesamt 200 Abbildungen zeitgenössischer und vergangenerer Kunst versucht die Autorin zu belegen, dass der Knabe, "dessen Wangen glatt, die Augen klar und das Wesen schüchtern sind", der ursprüngliche Träger erotischer Schönheit war und erst im 19. Jahrhundert von der weiblichen Figur abgelöst wurde.
Verlag Gerstenberg
Von den Männern beneidet und den Frauen verehrt musste der Knabe in der bürgerlichen Gesellschaft als "Lustobjekt" verschwinden. Dem Erstarken der weiblichen Sexualität im 20. Jahrhundert sei es zu verdanken, dass sich der Knabe allmählich wieder "lustvoll" lesen lässt.
Bild: Benjamin West "Cupid stung by a bee"
Verlag Gerstenberg
Den Anspruch auf eine kulturwissenschaftliche Arbeit kann die mit "Der weibliche Eunuch" (1971) bekanntgewordene Literaturwissenschaftlerin hierbei nicht behaupten. Was schade ist, denn Greer stellt wirklich interessante Fragen bezüglich der Repräsentation des "schönen Knabenkörper" in "Phantasie, Philosophie und Kunst".
Bild: Andrea Mantegna "St. Sebastiano"
Verlag Gerstenberg
Anstatt fundierter Antworten liefert der "Prachtband" eher eine Sujet-Auswahl, die Androgynität in der Kunstwelt vorstellbar macht und - keinesfalls wissenschaftlich - staunen lässt.
Foto: James Dean
Verlag Gerstenberg
Zugute halten muss man der Autorin außerdem, dass sie die Absicht ihres Bildbandes nicht verheimlicht. Im Vorwort heißt es: "Es wird Zeit, diesen gesunden Appetit (... auf sexuelle Stimuli...) durch erlesenere Speisen zu befriedigen. Wir brauchen uns nur umzusehen: Überall entdecken wir wunderschöne Bilder junger Männer, die unsere Sinne auf vielschichtige, raffinierte Art und Weise stimulieren". (freu)

"Der Knabe"
von Germaine Greere
erschienen im Gerstenberg Verlag, September 2003
ISBN: 3806729204
Preis: 39,90 Euro
Foto: Nan Goldin "French Chris on carhood"

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