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Andrea Jelinek, erste Stadthauptfrau. Korrekte Anrede: Frau Stadthauptmann.
Foto: APA/GUENTER R. ARTINGER
Grafik: Frauen bei der Polizei
Grafik: Standard
    Insgesamt jedoch sind Polizistinnen weiterhin in der Minderheit. Der Frauenanteil im Kriminaldienst beträgt nur sechs Prozent.

Wien - "Ich bin die Erste als weiblicher Stadthauptmann in Wien." Bei ihrer Amtseinführung am Dienstag sprach Andrea Jelinek gleich einmal ein Machtwort, um sich Diskussionen über die richtige Anrede, wie sie etwa auch die steirische "Landeshauptfrau" Waltraud Klasnic kennt, zu ersparen. Der Titel endet eben auf -mann, ein davor gesetztes Frau ist korrekt.

Andrea Jelinek ist die erste Frau, die in der Bundeshauptstadt als Stadthauptmann angelobt wurde. Die Spitzenjuristin war zuvor mehr als zehn Jahre in der Rechtssektion des Innenministeriums tätig und lenkt nun seit 1. Dezember die polizeilichen Geschicke des dritten Wiener Gemeindebezirkes.

"Ein Bezirk, der sowohl sicherheitspolitisch als auch kriminalpolizeilich eine große Herausforderung darstellt", wie der Wiener Polizeipräsident Peter Stiedl beim Antrittsbesuch im Bezirkspolizeikommissariat in der Juchgasse betonte. Wien-Landstraße bietet unter anderem zahlreiche diplomatische Niederlassungen, mit dem Belvedere ein historisches Tourismushighlight und die Kunst- und Veranstaltungsszene rund um die Arena.

Innenminister Ernst Strasser (VP) zeigte sich erfreut, dass mit Andrea Jelinek wiederum eine Frau in eine Spitzenposition bei der Exekutive aufrückte. Zur weiblichen Elite des Landes gehören unter anderem Michaela Pfeifenberger, die Polizeivizepräsidentin von Wien, Alice Höller, die Stellvertreterin des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Andrea Raninger, Vizechefin des Bundeskriminalamtes, sowie Esther Krug, die Polizeidirektorin von Villach. Sie alle sind dem Bereich Sicherheitsverwaltung zuzuordnen. Das Innenministerium beschäftigt 2818 Personen in der Sicherheitsverwaltung, 75 Prozent davon sind Frauen - die wenigsten davon allerdings in Toppositionen.

Wenige an der Front

An der Front bilden Frauen hingegen immer noch eine Minderheit. In der Sicherheitswache sind zehn Prozent weiblich, der Frauenanteil im Kriminaldienst der Polizei beträgt österreichweit sechs Prozent. Die Gendarmerie wird ihrem Artikel am wenigsten gerecht, nur fünf von 100 sind Beamtinnen.

Den ersten historischen Anlauf für weibliche Verstärkung unternahm die uniformierte Polizei Mitte der 60er-Jahre, Frauen wurde allerdings nur der Dienst ohne Waffe zugestanden, Nacht- oder Schichtdienste waren verboten. Ab 1971 wurden weibliche Vertragsbedienstete verstärkt zur Überwachung des ruhenden Verkehrs eingesetzt. Mitte der 80er-Jahre verschwanden die Politessen - der Volksmund kannte auch doppelt feminine "Politessinnen" - wieder aus dem Stadtbild.

Die Männerwirtschaft in der Exekutive war bis vor 13 Jahren gesetzlich geregelt. Erst 1990 wurden Frauen unter Wahrung der gleichen Rechte und Pflichten, wie sie für männliche Kollegen gelten, in den uniformierten Dienst aufgenommen. Im Kriminaldienst dauerte es noch länger, erst seit 1996 gibt es zwischen weiblichen und männlichen Kieberern keine dienstrechtlichen Unterschiede mehr. Bis dahin hatte es die offizielle Berufslaufbahn "wKrb" (weibliche Kriminalbeamte) gegeben. Heute ist die Ausbildung vereinheitlicht, Planposten müssen geschlechtsneutral ausgeschrieben und vergeben werden. Darüber wacht Sibylle Geissler, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im Innenministerium.

Ob VerbrecherInnen von Kriminalistinnen geschnappt werden, hängt auch vom jeweiligen Bundesland ab. In Wien beispielsweise gibt es rund 40 Fahnderinnen, in Kärnten nur sechs. In vielen Dienststellen sind Frauen den Fachbereichen Jugend und Sitte zugeteilt. Gerade in diesem Bereich ist aber das Manko an Beamtinnen auch am deutlichsten spürbar.

Kolleginnen ausborgen

So sollen Kinder und Frauen, die Opfer eines sexuellen Übergriffes geworden sind, wenn möglich nicht von männlichen Beamten einvernommen werden. Was oft dazu führt, dass sich ermittelnde Beamte Kolleginnen aus anderen Referaten "ausborgen" müssen. Deren eigene Akten bleiben wiederum liegen.

Die aktuelle Ausgabe des Fachmagazins "Kriminalpolizei" widmet dem Thema Frauen und Exekutive einen Schwerpunkt. Darin kommt unter anderem Renate Petz, Kriminalbeamtin der Villacher Polizei, zu Wort. Sie war eine der ersten Frauen, die vor 25 Jahren in die Männerdomäne eindrang und ist heute Jugendkontaktbeamtin in der Gruppe Jugend und Sitte. Ihren Job definiert sie so: "Es begegnet einem nichts, was es nicht gibt."

(DER STANDARD, Print, 17.12.2003)