Die Chefarztpflicht, die eigentlich durch die Gesundheitsreform wegfallen sollte, kommt laut Patientenanwalt "durch die Hintertür"

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Wien - Der Konflikt zwischen Pharmawirtschaft und Regierung schwelt weiter: In einem Brief an Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat kritisieren die unterzeichnenden Pharmafirmen vor allem zwei Punkte im kürzlich beschlossenen Medikamentenpaket: Für innovative Medikamente werde der österreichische Markt noch schwieriger, und die Abschaffung der Chefarztpflicht sei nur Täuschung. Weil die Genehmigung künftig der Arzt erledigen müsse, werde für den Patienten in der Ordination statt der "Fünf-Minuten-Medizin" nur mehr die "Drei-Minuten-Medizin" zur Verfügung stehen, heißt es im Brief. Diesen Punkt kritisierte auch Gerald Bachinger, Sprecher der Patienten- und Pflegeanwälte, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Pharmig.

Für die Praxis der "Chefarztpflicht neu", die spätestens ab 2004 gilt, wird es in den nächsten Monaten Verhandlungen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger geben. Der dort für den Heilmittelbereich zuständige Geschäftsführer Josef Probst hat für die Aufregung kein Verständnis. Die Gewinne der Branche seien noch immer weitaus höher als anderswo: "Die sind ärger als die stets jammernden Großbauern, die mit dem Mercedes herumfahren", sagt er im STANDARD-Gespräch trocken. Für innovative Medikamente könne die Sozialversicherung ohnehin keine Preisbeschränkungen diktieren: "Da zahlen wir genau die Fantasiepreise, die verlangt werden."

Die Firmen sind allerdings erbittert, dass der Hauptverband neuen Medikamenten die Dauerzulassung verweigern kann. Auch hier bleibt Probst kühl: Da gehe es um "Pseudoinnovationen", die keinen Zusatznutzen haben. Gegenargument der Firmen: Manche Mittel bedeuteten für Patienten weniger Nebenwirkung - auch das sei schließlich ein Zusatznutzen.

Was die Chefarztpflicht betrifft, könnte ein Kompromiss gefunden werden: Ärzte, die sich schon bisher an das Sparsamkeitsgebot der Sozialversicherung gehalten haben, müssen für teure Pillen ihrer Patienten keine chefärztliche Genehmigung einholen. Alle anderen werden per Computer oder Fax schriftlich begründen müssen, warum der Patient nur mit diesem einen Medikament behandelt werden kann. (Martina Salomon/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.12.2003)