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2,5 Millionen europäischen Olivenbauern machen etwa ein Drittel aller Landwirte in der EU aus

Foto. APA/ Beate Schleep

Die Olivenbauern machen ein Drittel aller Landwirte in der EU aus. Sie bzw. ihre industrielle Spitze haben eine starke Lobby, aber auch eine wachsende Gegnerschaft im Norden und neuen Osten der Union. Ein Bericht von der Brüsseler Front.

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Ulivo", Olivenbaum, heißt das Wahlbündnis, an dessen Spitze der heutige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi 1996 italienischer Ministerpräsident wurde und das ihn dann 1999 nach Brüssel schickte. Olivenbäume sollen auch am Ende von Prodis EU-Amtszeit stehen: Die Überarbeitung der "gemeinsamen Marktorganisation für Olivenöl und Tafeloliven" von 1966 soll am 1. November 2004, dem Tag seines Abgangs, in Kraft treten und die Reform der europäischen Agrarpolitik krönen.

Vincenzo Lavarra steht unter noch größerem Zeitdruck als sein Landsmann Prodi. Nicht nur, weil auch das Mandat des linksdemokratischen EU-Abgeordneten im kommenden Jahr abläuft: "Wir müssen versuchen, die Reform vor den nächsten Wahlen umzusetzen, um Nachteile zu vermeiden, weil später nämlich unter 25 Ländern verhandelt wird", mahnt der Berichterstatter für Olivenöl im Agrarausschuss des EU-Parlaments. "Es gibt ja schon heute genug Konflikte zwischen den Mittelmeerländern und den nördlicheren Staaten, wo eher die Förderung von Getreide und Milch im Vordergrund steht", sagt Lavarra.

Zukunft der Olivenbauern

25 EU-Länder, das heißt zehn neue, von denen zumindest die acht außer Zypern und Malta noch weniger Verständnis dafür haben dürften, wenn die Union auch in Zukunft Olivenbauern in Spanien, Italien, Griechenland, Portugal und Frankreich weiter mit 2,3 Milliarden Euro pro Jahr fördert. Schließlich müssen sich die Landwirte im Osten nur mit einem Bruchteil der Förderungen begnügen, die ihre Kollegen im Westen und Süden bekommen - auch das war Teil des Kompromisses, mit dem im Dezember 2002 in Kopenhagen die EU-Erweiterung besiegelt wurde.

Dabei haben die rund 2,5 Millionen europäischen Olivenbauern, die etwa ein Drittel aller Landwirte in der EU ausmachen, nicht nur in Milchbetrieben oder auf Weizenäckern ihre Neider: "Die Hersteller von Rapsöl stört es durchaus, dass man mit EU-Mitteln für Olivenöl wirbt", weiß Jean-Marc Gazagnes, der zuständige Referatsleiter in EU-Kommissar Franz Fischlers Generaldirektion Landwirtschaft. Der Franzose Gazagnes, sein spanischer Mitarbeiter Luís Carazo Jiménez und drei weitere Beamtenkollegen am Brüsseler Boulevard Rue de la Loi sind die Architekten der Reform, die 5,4 Millionen Hektar - vier Prozent der gesamten Agrarfläche in der heutigen EU - unter ein neues Regime stellen soll.

Geld soll anders verteilt werden

Weniger Geld aus Brüssel als bisher soll es dabei für die Bauern nicht geben. Es soll nur anders verteilt werden: 60 Prozent der Summe gingen unabhängig von der Produktion an die Olivenbauern, im Brüsseler Jargon heißt das "Entkoppelung". Die restlichen 40 Prozent sollen die jeweiligen Erzeugerländer nach ökologischen, sozialen und landschaftspflegerischen Kriterien verteilen.

Im EU-Agrarministerrat hat sich bisher nur Spanien, das mit knapp 45 Prozent der europäischen Anbaufläche auch mit Abstand das größte Olivenland der Welt ist, gegen diesen neuen Grundsatz ausgesprochen. Im EU-Parlament kommt vehemente Kritik auch von griechischen Abgeordneten. Bei der letzten Sitzung des Agrarausschusses in Brüssel warnte zum Beispiel der linke Parlamentarier Ioannis Patakis, die Reform werde "auf die Abschaffung des Olivenanbaus hinauslaufen". Sein konservativer Kollege Christos Folias prophezeit: "Die Produktion wird abstürzen, das Bruttoinlandsprodukt wird sinken, wir bekommen noch mehr Arbeitslose."

Olivendebatte

Von solchen dramatischen Auftritten abgesehen, verlief die letzte Olivendebatte eher technokratisch, die Sitzreihen belegten fast ausschließlich Abgeordnete aus den betroffenen Ländern. Agnes Schierhuber, die für die ÖVP im Ausschuss sitzt, erklärt das so: "Ich halte mich da heraus, das betrifft unsere österreichischen Landwirte nicht." Wenn es dann zur Abstimmung kommt, "stimme ich nach der Vorgabe der Fraktion", sagt die Agrarpolitikerin. "Ich engagiere mich dann halt besonders, wenn es um Bergbauern geht", erläutert sie.

Es scheint, dass zumindest im Agrarausschuss Parlamentarier aus Nord und Süd ein auskömmliches Zusammenleben organisiert haben, immer auf der Suche nach der besten Lösung für die heimische Klientel. So stört es denn auch niemanden, wenn während der Olivenölberatungen vor dem Sitzungssaal der deutsche Agrarwerbeverband CMA an einer bunten "Milchbar" Milchshakes an die Abgeordneten und ihre Assistenten ausschenkt, um für das Kuhprodukt zu werben. "Die Milch macht's!"

Die wahren Olivenfreunde im Parlament kann so etwas ohnehin nicht beeindrucken: "Es gibt wissenschaftliche Beweise, dass Olivenöl überhaupt das gesündeste Lebensmittel ist, das es gibt", ruft Patakis in die Runde. Auch für Vincenzo Lavarra ist dies - neben seiner Herkunft aus der Produktionsregion Apulien und der Schutzwirkung der Olivenhaine für erosionsgefährdete Hänge - der Hauptgrund, warum er das Amt des Berichterstatters übernommen hat.

Konsum steigt mit Ausnahme von Dänemark und Österreich

Nach Statistiken der EU-Kommission scheinen der fast mythischen Wirkung der Olive nicht nur mediterrane Seelen zu erliegen. "Es ist beeindruckend, wie sehr der Konsum auch in EU-Ländern außerhalb der Produktionsregionen steigt - vielleicht mit Ausnahme von Dänemark und Österreich", so Referatsleiter Gazagnes. Hier sei auch eine Expansion möglich: "In Nordeuropa lassen sich höhere Preise erzielen, weil das Olivenöl wegen des Geschmacks und der Gesundheit gekauft wird." Im Süden hingegen werde es im Küchenalltag in großen Mengen verwendet: "Daher spielt dort der Preis eine größere Rolle", so der Agrarbeamte.

Doch die europäischen Ölmagnaten - aus der EU stammen rund 80 Prozent der Weltproduktion - haben noch Größeres im Sinn: "In den USA, in Kanada, Japan, Thailand und Taiwan ist Olivenöl groß in Mode", weiß Jean-Marc Gazagnes. Und Vincenzo Lavarra will auch persönlich alles tun, damit das so bleibt: "Ich fahre demnächst nach New York, um unser Öl zu promoten."

Geschäftsinteressen und viel guter Glauben

Wer ein Bild für mediterrane, gar weltweite Lebensart und Friedfertigkeit sucht, der kommt an ihm nicht vorbei: dem Olivenbaum, seiner Frucht und seinem symbolträchtigen Zweig. Hinter "dem Öl" schlechthin stecken wissenschaftlich erhärtete Vorzüge, aber auch Geschäftsinteressen und viel guter Glauben. Eine Rundumschau bei Mühlen und Ministerien. (Jörg Wojahn; DER STANDARD Printausgabe 12.12.2003)