Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Gardin
++PRO Von Markus Mittringer

Also ich bin dankbar. Weihnachtlicher Lichterschmuck ist Tradition. Er repräsentiert die Gesamtheit unserer geistigen, technologischen und institutionellen Überlieferungen. Und gerade im Advent zeigt sich der wertschöpferische Umgang mit dieser Tradition am allerbesten. Da sieht ein jeder ein, dass auch er ein Lichterl ist, im großen Konjunkturentwicklungszusammenhang.

Hand in Hand hängen wir harmonisch geschwungen über den Einkaufsstraßen. Geselcht von Punschschwaden taumeln wir von Shop zu Shop. Enthusiasmiert reiben wir unsere Leiber dem Höhepunkt entgegen, dem Happy-End, der Kassa, dem Zahlen. Dutzende, hunderte Male können wir, berauscht von Lichtermeer und Kollektiverleben, derart heftig kommen. Und zwischendurch auf den ökonomischen Erfolg anstoßen, den unser Tun im Rudel zeitigt.

Nicht umsonst haben wir so intensiv daran gearbeitet, die Waren ästhetisch auszustatten. Und eben auch die Straßen zu befreien, vom Teufel der Ruhe. Und wenn es Licht wird im Dezember, wissen wir intuitiv, was zu tun ist. Dann gilt es, das ewig flaue Jahr zu retten, in die Hände zu spucken und durchzushoppen, auf dass ein Plus entspringen werde. Undenkbar ohne Lichterketten. Der Schmuck erschüttert nicht. Er ist von unschlagbarem Täuschwert, Balsam für die distanzierte Seele. So behandelt fühlt sich die standhafte Sekretärin genauso wie der obstrukte Lohnschreiber als Millionär. Und rückt aus, die Wirtschaft zu retten.

***

--CONTRA
von Doris Krumpl

Licht ist böse. Es schreckt Menschen jäh aus verdienstvollem Schlaf. Es deckt Tatsachen auf. Luzifer hat es gebracht. Mögen in traurigen Fuzos Sterne und Girlanden und, horribile dictu, dummdreist dämlich dreinblickende Weihnachtsmännlein die süßen Objekte der Begierde aller Kaufwilligen erstrahlen lassen, sodass sie, geblendet davon, die Preise dafür ausblenden - bis ihnen mit dem "Kontoauszug Jänner" ein Lichtlein aufgeht. Diese Leuchten, dieser biedermeierliche Weltenfluchtverniedlichungskitsch, entsprungen im sagenhaften Horrorland des in vorweihnachtlichem Glückseligkeits- und Daseinstaumel pseudodelirierenden Softdrink-TV-Werbespots. "Mehr Licht!" bedeutet einfach mehr oder weniger Kohle, Herr Goethe! Schnöder Schmock das, alles Schnickschnack. In der Meidlinger Einkaufsstraße ist man wenigstens ehrlich: An deren Beginn steht in dicken Glühbirnen-Lettern "SHOPPING".

Wahrlich, wir sagen euch: Das wahre Licht brennt innen, und zwar ganzjährig. Illumination als höherer geistiger Zustand, als Schubumkehr aller ehrgeizigen, wettkampfgeifernden privaten wie öffentlichen Lux-Geier mit ihrer zwangvoll verordneten Ausschmückungs- und Lichterkettenpflicht. In dem durch geistige Nahrungszuführung aller Art hervorgerufenen Illuminations-Zustand braucht man sich dann auch, in der quasi nüchtern-ausgeschalteten Phase post festum, nicht ob des jäh übers Leben hereinbrechenden Realismus an einem erkalteten Elektrokabel aufzuhängen. (Der Standard/rondo/12/12/2003)