Foto: BA-Ca Kunstforum/© Estate of Roy Lichtenstein
Wien - "Wham!" Ein vom Kriegsflugzeug abgefeuertes Geschoß explodiert. Ein vom Miniformat zur wandfüllenden Leinwand aufgeblasener Comic dient, auch jüngst, gerne als Illustration von Kriegsgeschehen. Roy Lichtenstein hat es in den 60ern produziert, das Sujet gehörte für ihn zu den x-beliebigen Images einer durchkommerzialisierten US-Gesellschaft, dazu zählte eine Zwirnspule genauso wie ein Hotdog. Siehe auch unter: Warhol & Suppendose.

"Die kommerzielle Kunst ist praktisch und direkt, sie hat eine starke und lebendige Wirkung. Wir verwenden diese Dinge - ohne dabei Dummheit, internationalen Teenagerkult und Terrorismus zu befürchten." Sämtliche heute sehr hippen Kunstakteure und/oder unter dem Signum der Kunst Suppe kochenden Sozialarbeiter aller Klassen würden ihre politisch korrekten Häupter darob schütteln. Damals wandten sich Pop-Artisten wie Andy Warhol, Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg oder eben Roy Lichtenstein gegen die alles dominierenden abstrakten Expressionisten. Statt Individualismus und Esoterik standen Industrialisierung und der Maschinenkünstler am Programm.

Rund 45 Gemälde und einige Dutzend Zeichnungen des Sampling-Artisten, darunter Entwürfe für Kunst im öffentlichen Raum, zeugen in jeder Hinsicht plakativ von diesem Bemühen. Zeitgleich lichten-steint es in Dänemark, was manche Hauptwerke wie Girl with a Ball nun nicht nach Wien kommen lässt. Die Blondinen, die Lichtenstein sujetmäßig bevorzugte, prangen allein auf einigen Drucken.

Dennoch konnte Kurator Florian Steininger zumindest viele Werke der frühen Pop-Art ins Kunstforum bringen. Dass es nicht die x-fach reproduzierten sind, kann man auch als Vorteil auslegen. Sujetmäßig ist sonst alles dabei, was einen Lichtenstein ausmacht: direkte Comic-Paraphrasen - wobei eine klassisch altmeisterliche Mickey-Mouse-Skizze aus 1956 rührend komisch aussieht -, Produktbilder wie Kunstgeschichte-Samples oder Interieurs. Vor allem in den Arbeiten der 80er- und 90er-Jahre tritt der absolut postmoderne Zug des Künstlers hervor. Hier kombiniert er Légersche Formen mit Varianten seiner "Brushstrokes", der von ihm als Lichtenstein-Signet quasi standardisierten breiten Pinselstriche. Grundzüge davon, allerdings ins Expressionistische gehend, offenbart ein untypisches frühes Gemälde. Sein und Warhols einflussreicher Galerist Leo Castelli wies ihn aber schnell in die flächige Pop-Richtung. Damals entstanden auch scharf umrissene Landschaften, die er gegen Ende seines Lebens nach japanischen Vorbildern des 12. Jahrhunderts in atmosphärische Rasterpunkte auflöst.

Lichtensteins Arbeiten wirken clean und fast spießig, treffen massenkompatibel die Netzhaut so direkt, wie es einst die Impressionisten wünschten. So weit weg wie diese scheint Lichtenstein 2003 zu sein. Das mag man so gut wie schlecht heißen. Seit Cézanne sei die Kunst außerordentlich romantisch und unrealistisch geworden. Sagte Lichtenstein. Was ihn veranlasste, seine Kunstgeschichte-Coverversionen, etwa Monets "Heuhaufen", ordentlich durchzurastern. Dabei kannte er die unendlich reproduzierten Bilder nur aus Reproduktionen. Und jetzt sind seine Reproduktionen auch Dekor von Mousepads oder Halstüchern. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2003)