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"Eine verrückte Idee." So nannte der Schweizer Alexis Keller, was er dem israelischen Oppositionspolitiker Yossi Beilin bei dessen GenfBesuch im Herbst 2001 vorschlug: Was, wenn Beilin die - wegen der Wahlen, die Ariel Sharon an die Macht bringen sollten, im Jänner abgebrochenen - israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen von Taba in der Schweiz weiterführen würde?

Der Gedanke, dass man in Taba einer für beide Seiten gangbaren Lösung nahe gewesen war, hatte Beilin nicht losgelassen, seinem palästinensischen Gegenpart Yassir Abd Rabbou ging es ebenso. In ihre Suche nach einem Rahmen für eine Fortsetzung der - wenn nun auch inoffiziellen - Arbeit platzte der Vorschlag Kellers. Gute zwei Jahre später wurde am 1. Dezember 2003 unter großer internationaler Anteilnahme die "Genfer Initiative" unterschrieben, kein offizielles Dokument, aber der Beweis dafür, "dass es geht".

Alexis Keller (41) war bis dahin in der Nahost-Diplomatie unbekannt: Der Dozent für Rechtsphilosophie und politische Philosophie an der Universität Genf, der ab Februar ein Semester in Harvard lehrt, ist, nach den liebevollen Worten Abd Rabbous, ein "aufgeklärter Amateur" auf diesem Gebiet. Es wäre aber wohl nicht gegangen, hätte sich nicht sein Vater Pierre Keller, pensionierter Privatbankier und Philanthrop, von seinem Enthusiasmus anstecken lassen: Er gab der Initiative das Geld. Die Schweizer Regierung half vorerst "nur" mit einem Diplomatenpass für Keller, erst als Micheline Calmy-Rey Anfang 2003 Außenministerin wurde, schaltete sich das Außenamt mit logistischer und finanzieller Hilfe ein.

Die Sache wurde ernst im Mai 2002, als sich Beilins und Abd Rabbous Unterhändler im Kellerschen Feriendomizil bei Gstaad mit Robert Malley, einem Berater Bill Clintons bei den im Sommer 2000 gescheiterten Camp-David-Verhandlungen, traf. Keller, so berichtet Malley, feuerte die täglich bis um zwei Uhr Arbeitenden, die nach mehreren Wochen ein erstes Papier produzierten, unermüdlich an. Am Ende der Verhandlungen im Oktober 2003 in Jordanien werden mehrere Verhandlungsteilnehmer vor Erschöpfung zusammenbrechen, auch Keller, der sich eine "calvinistische Arbeitsethik" bescheinigt, muss ins Krankenhaus.

Dazwischen liegen viele Reisen nach Israel und in die Palästinensergebiete; als die Intifada alle anderen Kanäle verschließt, wird Keller zum Briefträger. Yossi Beilin schilderte jüngst im Gespräch mit dem STANDARD den ersten Kontakt des medienscheuen Schweizers mit dem Krieg: der aus dem Nichts auftauchende israelische Panzer vor Abd Rabbous Terrasse in dessen Haus in Ramallah. Den Nahen Osten kannte Keller zuvor nur durch seine Frau Zeina, eine libanesische Christin, mit der er vier Kinder hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.12.2003)