Wien - Es gibt Choreografien, die man mit ins Bett nehmen möchte wie ein Buch von Beckett oder wie das Comic Kabuki-Metamorphosis von David Mack. Solche, die bei jeder Wiederbegegnung noch besser werden - wie ein Film von David Lynch. Jennifer Laceys This is an epic ist eine solche Choreografie. Eine Arbeit, die zirpt und knistert, die Blicke verführt und in ihre Schranken weist. This is an epic ist ein Schlangennest voll kleiner Aphorismen und Erzählungen, die sich ineinander verknoten, sodass von manchen nur Teile sichtbar werden.

Lacey, die Bühnenbildnerin Nadia Lauro und der "Cremaster"-Musiker Jonathan Bepler haben dieses Nest komponiert wie einen Song aus Bildern, Gesten und Klängen. Ein Typ mit Sonnenbrille und Lederjacke, eine Frau im Bademantel, ein Mädchen in Matrosenkostüm, sie verwandeln sich in Ritter, Cowboys oder Parkaträger. Sie tun seltsame Dinge, erzählen rätselhafte Geschichten, berühren einander, fallen und richten sich wieder auf.

Was sich auf den zweiten Blick als wucherndes Referenzwerk erweist, wird auf den dritten zu einer Erzählung über Erzählungen. Denn dies ist ein unheroisches Heldengedicht, das Helden so auf die Bühne zitiert, dass sie als solche selbstverständlich werden und übermächtig klein erscheinen. Allerlei Anspielungen auf Mangas und auf Filme wie Shining, The Thing und Zombie sind wie in einem Suchbild versteckt.

Die wortlose Theatralität, der präzis wie aus Musterbögen zusammengesetzte Tanz und die Choreografie kommen lapidar daher, wie von einer Regie geleitet, die die Kamera stets auf Nebenschauplätze verweist, an denen sich Hauptsachen abspielen, die unerlässlich für das Verständnis eines Ganzen sind.

Wenn die Zuschauer mit kleinen Opernguckern in den Händen durch einen Sturm in das Geratter von Hubschrauberrotoren geraten und in einem Raum Platz nehmen, in dem Bühne und Tribüne durch ein von der Decke hängendes Segel verbunden sind, befinden sie sich in der Kernzone dessen, was zeitgenössische, postkonzeptuelle Choreografie ausmacht: die Ironisierung massenmedialen Bildgeplärrs, die Zerfaserung aufgeblasener Popkunst-Repräsentationen, die Abspeckung bedeutungsschwangerer Theaterwänste und tussenhafter Tanzallüren. (ploe/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7./8.12.2003)