Her mit dem Speck. Wer immer hohlwangig und augenberingt über Liebeskummer klagt, dem schallt entgegen: Liebe ist grausam und trist, Verführung ist heiter. Weg mit dem blöden Geliebe - verführ doch mal!

Das ist verantwortungslos. Denn endlich hab ich mich mit dem Bleistift hingesetzt und die Folgen berechnet: Wer verführt, ist vorher schon verführt worden - zum Verführen. Dazu sollte man sexy sein, und sexy sein ist das Gegenteil von lustig. Es ist grausam und trist. Fitnessstudio, Askese, Abstinenz und Bulimie. Bulimie ist noch am leichtesten zu händeln, zum Glück stolpert man überall über Speib-Vorlagen. Z.B. über eklige Plakate einer Telefongesellschaft, in denen dicke Männer auf hässlichen Telefonierern hocken. Drüber steht "Weg mit dem Speck".

In Deutschland hat man so was nicht geschrieben, aber gedacht. Dort ist es gelungen, mittels Telefon der dortigen Bevölkerung große Teile ihres Specks, der Reserve für schlechte Zeiten, des Sparguthabens wegzunehmen. Denn einst gab es einen Dienstleister, genannt Post, der gehörte der Bevölkerung und hatte wie jedes balancierte Unternehmen einen Geschäftszweig, der Minus machte (Briefe und Geldgeschäfte), und einen im Plus, die Telefonie. Nun kamen findige, schlanke Piraten zum Postminister und sagten: Her mit dem Speck. Wir kriegen die Telefonie, die deutsche Bevölkerung behalte das magere Geschäft mit Brief und Bank.

Super sexy Idee, jubilierte der Staat, ich bin eh viel zu dick und will sexy werden. Damit diese leidige Politikverdrossenheit aufhört. Die Manager-Schlankies nahmen erst den Speck der Post, dann schauten sie auf die Postsparbücher. Lustig! So viele Geldvorräte da! Her jetzt mit dem Privat-Speck, dachten die Männer, nannten die Telefonie Telekom und T-Mobile und verkauften sie der Bevölkerung noch einmal. Schon Julius Cäsar hat immer gesagt, lasst dicke Männer um mich sein. Dicke Männer - und Frauen - sind verführbar. Wer ihnen verspricht, schlank zu werden, dem werfen sie freudig ihr Geld in den Schlund. Die deutschen Bürger öffneten ihre dicken Konten und kauften den Staatsbetrieb, der ihnen immer schon gehörte, begeistert noch einmal. Jetzt gehört er ihnen doppelt. Aber da die Aktie nichts wert ist, gehört er ihnen eigentlich nur so viel, wie er ihnen vorher schon gehört hatte. Oder noch weniger. Die schlanken Manager der Telekom haben ihn übrigens auch nicht mehr, den Speck, er wanderte in unsympathische Werbekampagnen und lufttrocknet jetzt auf den Konten von T-Werbefiguren wie Andre Agassi.

Wenn jemand sagt, "Weg mit dem Speck", dann denke man immer daran, wohin er geht, der Speck. Gönnen Sie ihn nicht jedem Powidl. Außerdem macht nichts so sexy wie ein fettes Bankkonto. Höchstens noch hohle Wangen und tiefe Augenringe. (DerStandard/rondo/5/12/03)