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Bunte Taferln im Parlament: Die ÖVP-Abgeordneten gegrüßen die zukünftigen EU-Mitglieder

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Nur Rosenkranz und Wittauer blieben sitzen, der Rest stimmte für die EU-Osterweiterung.

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Wien - Je heftiger die Redner aller Parteien das Historische dieses Parlamentstages reklamierten, umso weniger wollte sich wenigstens ein Abglanz davon einstellen. Je emsiger im Zitatenkästlein gekramt und der rhetorische Furor europäischer Geistesgrößen von Winston Churchill bis Martin Walser bemüht wurde, umso dürftiger nahmen sich die eigenen Beiträge aus, die das Jahrhundertwerk des Beitrittes der osteuropäischen Kandidatenländer begrüßten.

Da mochten die VP-Abgeordneten noch so eifrig Täfelchen mit der vielsprachigen Aufschrift "Willkommen" in die Höhe recken, die dazugehörige Debatte geriet doch sehr zur Pflichtübung, die immerhin die Bruchlinien erkennen ließ, welche die politische Auseinandersetzung zuvor gekennzeichnet hatten. Von einer "Wiedervereinigung Europas" beispielsweise sprach VP-Klubchef Wilhelm Molterer, und dass dieses erst vor wenigen Jahrzehnten in Trümmern gelegen sei durch den Krieg der Nazis und später getrennt worden durch den Kommunismus. Von keiner Wiedervereinigung sprach SP-Chef Alfred Gusenbauer, sondern davon, dass hier und jetzt die erste Einigung Europas auf demokratischer Basis vor sich gehe. Auf diese Differenzierung lege er wert.

Veto-Vergesser

So wie ihren Protest gegen den EU-Beitritt Tschechiens legten die Freiheitlichen ihre Auftritte im Parlament an. Da feierte Vizekanzler Hubert Gorbach ("Wir schreiben heute Geschichte") die europäische Einigung, als hätte es nie eine Vetodrohung seiner Parteikameraden gegeben, und beschwor Klubchef Herbert Scheibner das große Friedensprojekt EU, als hätte er seine Freunde nie von Benes-Dekreten oder Temelín reden gehört. Wenigstens diese beiden wurden bald von ihren supranationalen Höhenflügen heruntergeholt und auf die Scholle gestellt, die von Beifallsverweigerern wie Barbara Rosenkranz und Klaus Wittauer gepflügt wird. In diesem Rahmen war natürlich auch Platz für kleinere Selbstinszenierungen. Da legte Heinz Fischer der Geschichte quasi vorgreifend seine erste Rede als Bundespräsident hin: So staatstragend, umfassend abwägend und historisch ausholend hat Fischer seit Jahren nicht mehr gesprochen, genau gesagt seit 13, als er sich zum letzten Mal vom Rednerpult aus an einer Debatte beteiligte. Damals war er noch Klubchef, später kamen dann die Jahre als Parlamentspräsident auf dem Sessel hoch über dem Gewoge des Saals. Die Gelegenheit für einen ironischen Nasenstüber ließ sich Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nicht entgehen: Zu Beginn seiner Rede begrüßte er den "Herrn Bundes-, äh, Nationalratspräsidenten", der inzwischen wieder die Vorsitzführung übernommen hatte.

Harmoniekanzler

Ebenso souverän wie Fischer den künftigen Bundespräsidenten gab Schüssel den alle umarmenden Vater des Staates. Den zehn neuen EU-Staaten versicherte Schüssel treuherzig, "wir freuen und auf Sie", der europäische Idee ebenso überzeugend, dass sie "lebt". Auch SP-Europasprecher Caspar Einem nahm Schüssel unverhofft an die Brust und versicherte dem Verdutzten, dass sich seine Vorschläge zur Beistandspflicht nicht wesentlich von jenen in der EU unterschieden, denen auch die ÖVP zuneige. Natürlich lobte Schüssel seine Außenministerin und ihr Team für ihre Verdienste um die Erweiterung, lediglich Tschechien wurde gescholten, aber wohlwollend: Im Sinne guter Nachbarschaft hätte er, Schüssel, sich gewünscht, dass manche bilaterale Fragen noch vor der Ratifizierung des Beitrittsvertrages gelöst worden wären.

So viel Harmonie ließ die Grünen geradezu als Störenfriede erscheinen. Da mochte sich Bundessprecher Alexander Van der Bellen noch so redlich freuen, seine Kritik an den "antitschechischen Ressentiments" der FPÖ fasste diese als Provokation auf. Und verwies damit einmal mehr auf die Geschichte, die vor diesem Tag lag - nicht nur im Hohen Haus. (Samo Kobenter/DER STANDARD, Printausgabe, 4.12.2003)