Jürgen: Also: sind das jetzt würdige Nachfolger von My Bloody Valentine oder nicht?

Ina: Das wäre aber My Bloody Valentine gegenüber nicht fair. Wenngleich der Sound von Pluramon sehr stark an das Oeuvre des irisch-britischen Quartetts erinnert ... nur reicht das eben nicht, finde ich. Das tolle an My Bloody Valentine war ja der hintergründige Drive, der sich durch die meterhohen Gitarrenwände hindurchzwängte und dadurch das Ganze zum Schwingen und Stimmen brachte.

Bei "Dreams Top Rock" ist davon wenig bis gar nichts zu spüren. Zu wenig Struktur und Druck, zu viel "Soundmatsch" für meinen Geschmack.

Jürgen: Also zumindest "Time for a lie" und "Hello Shadow" wären mir auf MBVs "Loveless" nicht aufgefallen; hätte man locker draufschmuggeln können. Zugegeben: zwischendurch versäuselt es ein wenig - und die Klarinette in "Flagolea" sorgt auch für einen etwas anderen Sound, als ein Titel wie "Noise Academy" verspricht.

Andererseits: wer will schon eine Kopisten-Band? Schließlich heißen sie nicht "The Pluramons" ...

Ina: Eben niemand. Aber ihr Sound ist einfach zu ähnlich, als dass man auf einen Vergleich verzichten könnte. Grade vor dieser Einordnung find' ich es interessant, dass "Dreams Top Rock" eigentlich als elektronische Musik rezipiert wird. Wenn man weiß, dass Pluramon für Markus Schmickler ein Projekt von vielen ist, wird das klar. Immerhin erschienen die ersten beiden Pluramon-Alben beim deutschen Experimental-Elektronik-Label Mille Plateaux, und die Liste von Männern, mit denen er bisher zusammengearbeitet hat, liest sich auch wie aus dem Lehrbuch für elektronische Musik: Peter Rehberg, Thomas Brinkmann, Christian Fennesz und Karlheinz Stockhausen sind nur einige davon.

Punkten kann er natürlich auch durch seine Zusammenarbeit mit Julee Cruise, der Stimme des "Twin Peaks"-Klassikers "Falling". Bei "Dreams Top Rock" ist von dieser fesselnden Beklemmung aber nichts zu spüren ...

Jürgen: Gut, Schmickler hat sich eben immer mit Klangfarben beschäftigt - dass ihm da die Elektronik irgendwann einmal zu eng werden würde und er neue Sounds aufschlüsseln wollte, finde ich jetzt gar nicht so überraschend. Hier halt die Gitarre - und da bietet sich die Vorarbeit von MBV einfach an, die haben schließlich das vorhandene Spektrum in voller Breite ausgenützt.

Aber wie gesagt: das ist ja nur ein Teil des Ganzen - und eigentlich gilt das auch nur für die Stücke, die Julee Cruise (mit-)geschrieben hat. Ich finde, dass die Mischung aus elektronischer Unterlage (Felix Kubin ist auch mit dabei! Von dem hab ich eine CD, und das ist eindeutig eine von den obskursten in meiner Sammlung ...), Jazz und Rock ziemlich gelungen ist.

... und Julee Cruise bleibt halt immer noch Julee Cruise. Seit "Twin Peaks" ist sie wohl eine der meistbeschäftigten Gastsängerinnen überhaupt. Finde ich schön, dass sie sich hier nicht nur als Stimme einbringen konnte.

Übrigens klingt das hier alles ziemlich nach Post-Rock. Dafür ist mir "Dreams Top Rock" aber eindeutig nicht langweilig genug ...

Ina: Ähm, Ansichtssache. Offenbar hat er mit Rockgitarren Probleme, sich aber trotzdem - quasi als Experiment - daran versucht und im Studio dann ewig an ihnen rumgequetscht ... So unentschieden und planlos hört sich das für mich an. Fällt dir eventuell noch was ein, um mich von meinem Essentialismus abzubringen?

Jürgen: Melodien sind mir immer noch das Wichtigste. Die Platte poppt einfach :-)