Thomas Morgenstern nach seinem Sturz in Kuusamo.

Lillehammer – Obwohl Glückskind Thomas Morgenstern schon in knapp zwei Wochen sein Comeback geben soll, ist die Diskussion um die Konsequenzen des schwersten Skisprung-Unfalls seit Jahren voll entbrannt. Nachdem Jury-Chef Walter Hofer einen Teil der Verantwortung an die Trainer weitergereicht hatte, nehmen die Teamchefs nun ganz klar den Internationalen Skiverband FIS für künftige Wettbewerbe in die Pflicht. Traineraufstände oder Springerstreiks scheinen in einer Szene, in der es inzwischen um Millionen geht, nicht mehr möglich.

"Jeder trägt einen Teil der Verantwortung, aber es ist doch lächerlich, jetzt zu sagen, dass sich die Trainer für einen Abbruch hätten aussprechen müssen. Die Trainer sind doch vor Jahren aus der Jury geflogen", sagte der österreichische Rennsportdirektor Toni Innauer. Morgensterns Chef fordert nach dem skandalösen Auftakt in Kuusamo schon beim nächsten Weltcup am Wochenende in Trondheim mehr Fingerspitzengefühl von der von Hofer geführten Jury: "Am Anfang der Saison muss man andere Maßstäbe anlegen, wenn die Springer noch nicht so viel Praxis haben."

Es geht um sehr viel Geld...

Innauer räumte ein, dass auch ein kleines technisches Fehlverhalten zu Morgensterns Sturz beigetragen habe. Genau wie für die nationalen Organisatoren (ein Weltcupspringen kostet bis zu 500.000 Euro), das Fernsehen (RTL zahlt für die Übertragungsrechte der deutschen Weltcups 15 Millionen Euro pro Jahr) oder die Jury (Hofer trägt bunte Sponsorenaufschriften) geht es auch für die Springer um viel Geld. Ein Weltcupsieg bringt einem deutschen Flieger knapp 30.000 Euro Prämien allein vom nationalen und internationalen Verband – da geht man schon mal zu viel Risiko ein.

Auch wenn Leitfiguren wie die Weltmeister Martin Schmitt oder Martin Höllwarth in Kuusamo offen über einen Springerstreik nachdachten, wagten sie am Ende wie alle anderen doch das riskante Spiel, bei dem es durchaus um Leben oder Tod gehen kann. "Jeder glaubt, er zieht das große Los in der Lotterie. Aber es gibt auch Nieten und es gibt gefährliche Lose", meint Innauer. Wolfgang Steiert bestätigt, dass es keine Solidarität unter Trainern oder Springern mehr gibt: "Jeder denkt nur noch daran, dass einer von seinen Leuten vorn ist." Immerhin zeigte der deutsche Chef als einziger internationaler Coach Verantwortung, als er Team-Olympiasieger Stephan Hocke kurz vor Morgensterns Sturz aus dem Wettbewerb nahm.

Comeback in Titisee-Neustadt

"Man muss als Trainer auch mal eingreifen, denn besonders junge Athleten sind übermotiviert und geben auch bei schwierigen Bedingungen 150 Prozent", glaubt Steiert. Das galt wohl auch für das 17 Jahre alte Supertalent Morgenstern, dessen gesundheitlicher Zustand von Toni Innauer am Montag als "ramponiert, aber ohne schwerwiegende Verletzungen" beschrieben wurde. Trotzdem soll das Sturzopfer ("Ich hatte alle Schutzengel der Welt") schon beim Weltcup in Titisee-Neustadt (13./14. Dezember) sein Comeback geben.

"Das Ziel ist, dass Thomas um das Wochenende herum wieder mit dem Sprungtraining beginnt. Er wird auf keinen Fall beim Weltcup in Trondheim dabei sein, aber wir hoffen, dass er in Titisee wieder mitspringen kann", sagt Innauer dem sid.

Der erfahrene Skispringer sieht den Sturz wie die gesamte Szene professionell: "Hochtalentierte Sportler wie Thomas sind sehr ehrgeizig. Dieses schlimme Erlebnis wird zu seiner weiteren Reifung als Profisportler beitragen." Gerade im Berufssport Skispringen müsse man mit solchen Risken leben: "Da verdienst du gut, wenn du vorn dabei bist, und auch, weil es so riskant ist."(sid)