Beachtliches Engagement der vernetzten feministischen Forscherinnen, das angesichts des politischen Hintergrunds in Österreichs pressiert
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Was wurde bisher erreicht? Wie kann die Zukunft aussehen? Ende November hat in Wien zum siebten Mal die Österreichische Wissenschafterinnentagung stattgefunden. Unter dem Motto "Women/Gender Studies: Against All Odds" diskutierten im Bruno-Kreisky-Forum freie und institutionsgebundene Wissenschafterinnen vor und mit intressiertem Publikum die aktuelle Lage und die Perspektiven von Frauen- und Geschlechterforschung.

Ziel der Tagung war es, unter Berücksichtigung der veränderten universitären wie außeruniversitären Rahmenbedingungen methodische und inhaltliche Perspektiven der Frauen- und Geschlechterforschung zu diskutieren und darüber hinaus Strategien zu entwickeln, die angesichts der diversifizierten Forschungslandschaft eine institutionelle (universitär/außeruniversitär) Sicherstellung auch für künftige Generationen von Wissenschafterinnen ermöglicht. Dabei wurden auch Erfahrungen von Wissenschafterinnen aus anderen europäischen Ländern wie Ungarn, Großbritannien und Russland hinzugezogen.

Für Anerkennung und Autonomie

Nachdem Alice Pechriggl, neuerdings Professorin für Philosophie an der Uni Klagenfurt, sich für die pragmatische Anbindung von gendermainstreaming-Maßnahmen und akademischen Genderstudies in Österreich aussprach, gab sich Erzsebet Barat, Lektorin für Linguistik und Genderforschung an der Universität Szeged bezüglich der Lage in Ungarn pessimistisch. Nur in Szeged würden Gender- und Frauenforschung als Studienrichtungen samt Abschluss angeboten. Für den Großteil der Studierenden sowie LehrveranstaltungsleiterInnen ("würden sich nie als feministisch bezeichnen") seien es Fachrichtungen wie jede andere, den derzeitigen Zulauf führt Barat auf die Gültigkeit des Master-Titels in den USA zurück. Feminismus sei als Erbin des totalitären Regimes im Ungarn von heute eine unangenehme Altlast und werde als solche unterdrückt, nicht nur im akademischen, in allen Bereichen der Öffentlichkeit. Es gäbe viel zu leisten punkto Bewusstseinsarbeit und Sensibilisierung, denn bislang wirke die Genderforschung an Unis im Zuge des EU-Beitritts oktroyiert, nach dem Motto "Gut, das können wir abhaken", so ihr Fazit.

Galina Zvereva von der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität skizzierte die akademische Situation in Moskau aussichtsreich. Durch Winter- und Sommerschulen mit Schwerpunkt Frauenforschung seien nun auch an den Universitäten die Lehrpläne bereichert und man versuche, Gendertheorien mit postmodernen zu verknüpfen.

Neben der deutschen Soziologin und Sozialpsychologin Gundrun-Axeli Knapp waren auch zwei britische Dozentinnen zur Tagung angereist: Gabriele Griffin von der Universität Hull stellte eine Studie zur Institutionalisierung von Frauenforschung vor, Elizabeth Harvey von der Universität Liverpool sprach über die Entwicklung des "gendered sight" im Fach Geschichte.

Den Berichten gemein war die Feststellung, dass die begonnene Institutionalisierung der Genderstudies an den Unis weiter betrieben werden muss, auch mithilfe von männlichen Kollegen (wobei Pechriggl auf die Situation in den USA verwies, wo eine Vermännlichung der Geschlechterforschung zu beobachten wäre). Denn nirgendwo in Europa ist die letzte der sechs Phasen (die Griffin in ihrer Studie erarbeitet hatte) der Implementierung erreicht: die der institutionalisierenden und disziplinierenden folgenden, nämlich die autonome, in der volle Anerkennung des Faches eine Prämisse ist.

Futter

Für das Engagement, das noch immer nicht ausreichend honoriert wird, verdienen diese Forscherinnen und Aktivistinnen stellvertretend für all die anderen, die daran arbeiten, dass Jahrhunderte des Frauen-Schweigens in den Akademien dieser Welt genug sind und ihr Recht auf Aufarbeitung und Perspektiven einfordern, wenigstens immaterielles Futter: ein Zuckerl. Wir hoffen, dass materielle Anerkennung von zuständigen Ministerien nachfolgt. (red)