Meteorites: "Dub the Mighty Dragon" (No Future/EFA/Ixthuluh)

Wenn sich die vorweihnachtlichen Brieftaschen öffnen, kann man gut auf einiges aufmerksam machen, das zuletzt in die Rubrik Lieblingsplatte der Redaktion platzbedingt keinen Einlass fand. Zum Beispiel die sommerlichen Rhythmen dieser CD, die nach allem anderen klingt, als die Optik der beiden Meteorites Marcus Rossknecht und Max Turner oder ihre Hamburger Herkunft ahnen ließen. Zum titelspendenden Dub gesellen sich Ragga, Dancehall und gelegentlich auch HipHop-Anklänge. In Gesamtheit ergibt das eine recht homogene Mischung, die in aufgekratztem Midtempo dahinploinkert: Eine ideale Durchlauf-CD, wenn man auf einer Party die Stimmung halten will, ohne sich selbst durch laufende Tonträgerwechsel ausschließen zu müssen. Besonders nett: das überkandidelte "Dracula".

Coverfoto: No Future/EFA

Belle and Sebastian: "Dear Catastrophe Waitress" (Rough Trade)

Was soll der Tumult, fragt man sich da doch. Neues Label, neuer Produzent (Trevor Horn, der unter anderem für Frankie Goes To Hollywood und Grace Jones arbeitete ...) - aber auch neuer Sound? Nicht wirklich: Wie gehabt verpackt die vielköpfige Band aus Schottland wortreich besungene Einzelschicksale wie das der sorgengeplagten Kellnerin oder des gemobbten Vorzugsschülers in flockig-melodiösen Gitarrenpop. Die Miss Marple-Streicher der letzten Maxi-Singles sind diesmal ein wenig spärlicher vertreten, dafür hagelt es fröhlich animierende Bläsersätze, und Horn kitzelte den Northern Soul der Band hervor. Insgesamt bewegen sich Belle and Sebastian aber immer noch in dem von ihnen geschaffenen vertrauten Klangrahmen - und es gibt sogar einen Schritt zurück zu den Wurzeln: Entgegen der Tendenz der letzten Alben wird diesmal das Singen wieder hauptsächlich Stuart Murdoch überlassen. Gut so.

Coverfoto: Rough Trade

Chica and the Folder: "42 Mädchen" (Monika Enterprise)

"Monika"-Labelchefin Gudrun Gut bürgt seit Jahren für interessante elektronische Veröffentlichungen an der Grenze zwischen Experiment und dankenswert wohlklingender Hörbarkeit - getragen hauptsächlich von Frauen. Für das Projekt Chica and the Folder versammelten sich rund um Paula Schopf (aka "Chica Paula") und Max Loderbauer diverse Gastbeitragende aus Guts "Ocean Club"-Umfeld. Das Ergebnis ist eine divergente Mischung aus Laptop-Folk, Breakbeats, Synthiebädern, Ambient Sounds und elektronifizierter Weltmusik. Gesungen wird auf Spanisch ebenso wie auf Kroatisch, Englisch und Deutsch - letzteres als Vertonung eines Else Lasker-Schüler-Gedichts. Das liest sich jetzt ziemlich verkopft (und ist es vom Konzept her auch), steht melodischen Ergebnissen jedoch nicht im Weg: etwa beim Brian Eno-Stück "I'll come running". Eine hochinteressante CD, auf die man sich mit mehrmaligem Anhören immer bereitwilliger einlässt ... die man aber auch nach zehn Nummern stoppen sollte. Zum Schluss wird nämlich noch ein Helge Schneider-Märchen rezitiert, und das gestaltet sich genauso nervtötend wie vermutet ...

Coverfoto: Monika

Pacheco: "La Madrugada" (Pate Records/Ixthuluh)

Fett und feist groovend wälzt sich das Debüt-Album der Österreicher Pacheco auf den Plattenteller. Dub und Rap werden hier mit Rock geerdet und mit Texmex-Bläsern hochgepusht - wobei der austro-mexikanische Sänger Rafael Neira Wolf dafür sorgt, dass die hierzulande exotische Mischung ebenso organisch rüberkommt wie die teils englischen, teils spanischen Texte. Bräsig wird hier gerne "we're gonna kick the shit" geplatzhirscht - dazwischen mischen sich jedoch auch sanftere Klänge wie das Bossa-Stück "No Se" und die darauf folgende Akustik-Ballade "Brother" - ehe dann zu "Party till Dawn" wieder die Tequila-Gläser geschwenkt werden dürfen: Aber nicht verschütten, wenn der Headbang-Refrain einsetzt ... ;-)

Coverfoto: Pate Records

Thimo Sander: "Kopfverdreht" (Tapete)

Geerdet im Vergleich zu Maximilian Hecker, ansonsten jedoch ein weiterer Vertreter des neuen deutschen Liedermacher-Pops, der trotz Verletzlichkeit in den Texten (die kreisen natürlich um Beziehungen ...) auch vor ausladenden Arrangements nicht zurück scheut. Slidegitarren lassen sich durchaus mit Synthesizern vereinbaren, wie die fünf Stücke (plus ein Akustik-Remix der Titelnummer) auf der EP "Kopfverdreht" zeigen. Eigentlich eine erste Fingerübung des Nordlichts Thimo Sander, der in seiner Wahlheimat Berlin schon einige Jahre an diversen Projekten werkelte, ehe er sich nun als Labelkollege von Hidalgo und Erdmöbel an eine erste eigenständige Veröffentlichung herantraute. Die lässt auf mehr hoffen - und ein Album soll ohnehin im nächsten Jahr folgen. Kurzbeschreibung: Soundmäßig ein wenig wie Peterlicht - doch fern von dessen öder Dauerironie.

Coverfoto: Tapete Records

Fabio Viscogliosi: "Spazio" (Microbe Records)

Aus dem Bereich "Filmmusik ohne Film": In melancholische Töne taucht der häufig in Frankreich arbeitende Italiener Fabio Viscogliosi seine Stücke - mal eine Ode an das Objekt seiner Verehrung, mal ein Traktat des sympathischen Selbstzweifels. Eigentlich schon 2002 veröffentlicht, verdient "Spazio" auch in nördlicheren Breiten Beachtung. Von mediterranen Sounds ist hier sowieso nichts zu hören - statt dessen ist die Gitarre auf Element of Crime gestimmt, dazu schummert die Orgel, klimpert das Piano oder maunzt ein Moog. Langsam und schön - auch über Italien hängt der Novemberhimmel grau.
(Josefson)

Coverfoto: Microbe Records