Mag Patriotismus in Zeiten allgemeiner Kritiksucht als hinterwäldlerisch oder ewiggestrig, als Angelegenheit nostalgischer Heimatforscher, starrköpfiger Erbhofbauern oder alter Kameraden gelten, seit heute nützt es nichts: Bekennerische Heimatliebe ist mehr als angebracht! Soeben hat der Parteiobmann der ÖsterreichischenVolkspartei eine Pressekonferenz einberufen, in der er verlautbarte: Er habe das seitens seiner Partei seit der Nationalratswahl gepflogene Versteckspiel satt und wolle der Öffentlichkeit nun reinen Wein einschenken. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass er wieder eine große Koalition wollte.

Schwarze Einsicht

Grund für das lange Taktieren sei die Tatsache gewesen, dass die strategischen Überlegungen seiner Partei bei der Nationalratswahl am 3. Oktober gleich mehrfach in die Hose gegangen seien.

Erstens: Das Offenlassen der Möglichkeit einer Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ sei nie ernst gemeint gewesen, sondern hätte der Partei nur bessere Karten im Koalitionspoker mit der SPÖ verschaffen sollen. Zweitens: Die Ansage, man wolle als Dritter jedenfalls in die Opposition gehen, habe nur den Zweck gehabt, Zweiter zu bleiben, und sei deshalb ebenfalls nie ernst gemeint gewesen. Drittens: Die Ankündigung seiner Partei, sie stelle die "Weichen für die Opposition", sei nur Teil einer dritten Strategie gewesen, die die schief gegangene zweite wieder rückgängig machen sollte. Es sei von vornherein geplant gewesen, nach einigen Aufforderungen von ÖVP-Spitzenpolitikern und vor allem des Bundespräsidenten dem unwiderstehlichen Wunsch des Volkes nachzugeben und sich doch wieder zu einer Regierungsbeteiligung bewegen zu lassen, freilich nur dann, wenn inzwischen die SPÖ so mürbe geworden sei, dass sie die drittstärkste Partei nach dem Wahlergebnis de facto als erststärkste behandle.

Wie gesagt, sagte der Obmann, er sei zur Einsicht gekommen, dass dieses strategische Verwirrspiel eine "Pflanzerei" der Wählerinnen und Wähler gewesen sei, und er wolle von jetzt an mit offenen Karten spielen. Er werde künftig seine Aussagen mit der bereits vom Vorsitzenden der SPÖ so erfolgreich angewendeten Floskel "Ich sage klar und deutlich" einleiten und von Anfang an sagen, was er wolle, und vor allem, was er nicht wolle.

Blauer Dank

Im Anschluss daran gab der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei eine Erklärung ab. Er bedankte sich bei den beiden "Altparteien" für deren erklärten Willen, eine "Koalition neu" zu bilden und kündigte an, sie zukünftig als "Neuparteien" bezeichnen zu wollen. Was ihn selbst betrifft, teilte er mit, habe er bei seinen Pressekonferenzen und Interviews im Ausland gemerkt, dass es keinen Sinn habe, seine nationalistische und fremdenfeindliche Gesinnung abzustreiten, vor allem dort nicht, wo sie durch eindeutige Zitate aus seinen Äußerungen zweifelsfrei zu belegen sei.

Da er zu allen diesen Äußerungen stehe und nichts davon zurücknehmen könne (der Parteivorsitzende verwies in diesem Zusammenhang auf historische Persönlichkeiten wie Galileo Galilei und Martin Luther), gebe er jenen Recht, die meinen, dass eine Regierungsbeteiligung seinerseits oder seitens seiner Partei dem Land schaden würde. Er ziehe sich deshalb in die permanente Opposition zurück und werde sich vor allem seinem neuen politischen Buch mit dem Titel "Die vierte bis zehnte Republik" widmen. Zudem sei Plakatwerbung für den Kinderscheck leichter finanzierbar als dessen Umsetzung in einer Regierung unter FPÖ-Beteiligung.

Zuletzt brachte der dritte Präsident des Nationalrates eine Erklärung zu Papier, in der er seine Demission ankündigte. Er habe sich die ganze Ochsentour des Wahlkampfes nur angetan, um Vizekanzler oder zumindest Wirtschaftsminister zu werden. Da dies nun offensichtlich nicht drin sei, sehe er nicht ein, weshalb er auf dem "Abstellgleis" des Präsidentensessels sitzen bleiben solle.

Er verstehe außerdem, dass gewisse hormonale Aussagen, die er während des Wahlkampfes getätigt habe, mit diesem Amt nicht zu vereinbaren seien. Der Nationalrat und noch mehr sein Präsident müsse alle Bürger des Landes vertreten, auch jene, die sich hier nur vorübergehend, Asyl suchend oder aus anderen einsichtigen Gründen, aufhalten. (Der Expräsident soll sich übrigens daraufhin in die ihm eigenen Wälder zurückgezogen und nach unbestätigten Meldungen mehrere Stunden lang mit der Kettensäge Bäume gefällt haben. Passanten wollen aus der Tiefe des Waldes mehrfach den Ruf "Ab jetzt wird umgewaldet!" gehört haben.)

Nur geträumt?

Nach all dem: Wie soll einer dieses Land nicht lieben, wie nicht zum Patrioten werden? Nur weil ein paar Freunde, denen meine überschwänglichen Gefühle mitzuteilen ich nicht umhin konnte, meinten, ich hätte wohl geträumt? Die "Koalition neu" sei bestenfalls ein Neuauflage der alten, die beiden Parteien taktierten auf Teufel komm raus weiter, die FPÖ lege es auf baldige Neuwahlen und eine absolute Mehrheit an, von Rücktritten aus Einsicht könne keine Rede sein, und das einzig Sichere sei, dass ich erst zwei Jahre später in die ersehnte Pension gehen kann. Typisch für diese antipatriotischen Querulanten. Ich bleibe dabei: Ich liebe Österreich!

Bernhard Rathmayr ist Erziehungs- und Sozialwissenschaftler an der Universität Innsbruck.