Ganz genau, gibt Ralf Geerken zu, wisse er eigentlich auch nicht, wie das funktioniert. Ob jetzt zuerst der Trend auf der Straße und in den Klubs zu erkennen sei und erst dann in die diversen Magazine und TV-Sender hüpfe, oder ob es doch umgekehrt laufe, könne er auch nach zehn Jahren als Chefeinkleider beim Popsender Viva nicht sagen.

Im Gegenteil, so der Mitdreißiger, werde es immer schwerer, Trends vorherzusehen, rechtzeitig einzufangen und dabei auch noch glaubwürdig zu bleiben: "Es ist heute nicht mehr so leicht, den Leuten Apetit zu machen wie noch vor ein paar Jahren", sagt der "Teamleiter Face & Style" des Clipsenders. "Fashion und Music sind ein Flow. Was man da vor allem braucht, ist eine subtile Wahrnehmung für Kleinigkeiten."

Es liegt an Leuten wie Geerken, wenn TV-Moderatoren optisch und styletechnisch gut und glaubwürdig aus dem Schirm steigen. Und mag es bei irgendeinem TV-Magazin noch durchgehen, wenn die Sprechpuppe - je nach Zielgruppe - die falschen Turnschuhe zum richtigen Shirt trägt, wäre das bei einem Popsender unverzeihlich: Die Credibility eines TV-Popanchors hängt nicht zuletzt davon ab, wie authentisch er oder sie wirkt. Ein Job für Profis - und nichts, wo man Zufällen zu viel Spielraum lassen dürfte.

Videoclips, Videoclips und nochmals Videoclips, dazu das gängige Dutzend internationaler Lifestyle-Gazetten und regelmäßige Besuche auf Mode- und Sportmessen seien wesentliche Teile des Einmaleins seines Teams. Aber auch Klubbesuche, Fachwissen in Mode-, Kunst- und Filmgeschichte und Experimentierfreude "mit dem Gefühl dafür, was geht", sei Voraussetzung, um zu wissen, was der Stand der modischen Dinge ist - und sein wird.

Bruce Lee bei Madonna

"Wenn Clips Anleihen aus Karate-B-Movies nehmen, müssen wir wissen, wer da was ist. Und auch, was da noch kommen könnte." Wenn Madonna Bruce Lee auf der Brust trägt, wäre es zu spät, mit der Suche zu beginnen.

Die Frage, ob ein teeniemassenkompatibler Moderator trendtechnisch eher "mittendrin" oder "ganz weit vorn" dabei sein solle, sei eine der schwierigsten überhaupt. Nicht nur, weil ein Moderator, der schon den übernächsten Trend präsentiert, in modischen Codes kommuniziert, denen das Publikum (noch) nicht folgen kann.

Denn TV-Styling ist "Naturaliensponsoring im klassischen Sinn", erklärt Geerken: Die Händler, egal ob große Kette oder aus dem eigenen Wohnzimmer agierender T-Shirt-Drucker, stellen dem Sender textile Kontingente zur Verfügung. Trägt ein Moderator dann den Turnschuh X, tut der Handel gut daran, die Schuhe ziemlich zeitgleich im Sortiment zu haben. "Wir wissen vom Feedback der Seher, dass die Aufmerksamkeit da sehr hoch ist."

Der Sender, erklärt Geerken, arbeite auf regelmäßiger Basis mit 40 bis 50 Marken und Firmen zusammen. Teils gehe man auf die Firmen zu, teils träten die Brands an den Sender heran. Es sei dann Sache seines Departements, aus dem Textilberg Mischungen zusammenzustellen, die nicht nur dem Typ des Moderators ("Einkleiden ist das Gegenteil von Verkleiden"), dem Charakter der Sendung ("Hip Hop ist was anderes als Metall") und dem Sendeplatz entsprechen, sondern auch "realistisch" sind: "Wir versuchen, unsere Moderatoren so anzuziehen, wie sich auch die Kids kleiden. Also zwei, drei Markenartikel und der Rest kann dann durchaus von H&M sein." Denn zu aufwändig gestylte Moderatoren wären unglaubwürdig - ungefähr so wie ein perfektes Styling: "Wichtig ist, dass die Moderatoren normal rüberkommen. Da dürfen sie gar nicht so perfekt aussehen, wie Models in Hochglanzmagazinen. Das müssen immer noch Menschen sein, ganz real. Sonst glaubt man ihnen auch die Mode nicht." (rott/DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2003)