Foto: Heribert Corn
Musik funktioniert privat und öffentlich zugleich und aus dem Internet downgeloadet ist sie auch noch gratis.

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"Everyone deserves music, sweet music."
Michael Franti & Spearhead

Popmusik ist in unserem Alltag omnipräsent. Sie signalisiert Jugend, Zeitgemäßes. Sie ist ein Gebrauchsgegenstand und dankbarer Bedürfniserfüller. Pop bietet (fast) jedem etwas. Und (fast) jeder bedient sich nach Lust und Laune bei seinem mannigfaltigen Fundus. Vor allem Jugendliche. Bei aller Austauschbarkeit ist die subjektive Auswahl genau begründbar. Denn für Teenager dient Musik vor allem als Katalysator für Gefühle. Als solche wird sie ausgesucht und eingesetzt.

Ob es um Zorn, Freude oder melancholische Stimmungen geht, Musik begleitet Teenager in jeder Lebenslage, übersetzt Bedürfnisse, formuliert Gedanken und bietet damit Identifikationsflächen. Für die 20-jährige Studentin Susa ist Musik deshalb "eine schöne Art, Emotionen auszudrücken".

Bernadette, 16: "Musik wirkt auf mich entspannend, langsame Lieder können mich schon auch traurig machen."

Musik nimmt im Alltag von Jugendlichen den dominierenden Platz ein: Bernadette, hört "ständig Musik, außer in der Schule". Die 13-jährige Viki "den ganzen Tag lang". Max, 18, meint: "Ohne Musik geht gar nichts", und Susa kann sich "ein Leben ohne Musik nicht vorstellen".

Stilistisch gibt man sich vielfältig und weitgehend tolerant: Von der Ö3-Hitparade, Starmania über FM4, HipHop bis zu Ethno und Jazz wird alles gehört. Grunge genauso wie R'n'B oder Pop. Techno findet Bernadette "zu primitiv", von Volksmusik kriegt sie Kopfweh: "Immer dieses 'Herzilein-Gesinge' ist blöd". Auch Viki findet Volksmusik und Schlager einfach "Wäh!".

Besonderen Stellenwert besitzt Musik als sozialer Faktor. Sie ist Dauerthema im Freundeskreis und wird oft und gerne gemeinsam gehört. Dabei tauscht man Hintergrundinformationen aus. Man geht mit Freunden auf Konzerte, Partys und zu Clubbings und räumt dabei der Musik auch einen Stellenwert als zwischenmenschliche Orientierungshilfe ein: "Wenn man jemanden noch nicht so gut kennt, ist über Musik reden hilfreich, weil es ein Bild von jemandem liefert", meint Susa.

Ob Musik noch jene Sprengkraft zwischen Eltern- und Kindergeneration besitzt wie früher, bezweifelt Max: "Meine Eltern hören ja auch Rockmusik und gehen manchmal auf Konzerte. Nur Techno können sie nicht leiden. Sonst ist es ihnen egal, was für Musik ich höre."

Elvis und MTV

Diese Gelassenheit ist kein Wunder. Schließlich ist die Generation Elvis mittlerweile pensioniert und selbst MTV als televisionäres Synonym immer währender Jugend ist mit über 20 Jahren längst im familienfähigen Alter. Wie unterscheidet sich Max von seinen Eltern? Schulterzucken, ein Blick an sich selbst hinunter und ein Grinsen: "Vom Outfit her, da stöhnen sie oft."

Wie viel Geld Jugendliche für Musik ausgeben, ist für sie schwer zu beziffern. Das Downloaden von MP3-Files aus dem Internet erleichtert den Zugang jedoch wesentlich und schafft die Möglichkeit, Geld für Gewand, Handy und zum Ausgehen umzuleiten.

Als wesentliche Informationsquellen in Sachen Sound gelten Sender wie MTV, Viva und Gotv. Daneben vertraut man auf Bewährtes aus dem Printbereich: Von Bravo, Popcorn bis zum Rolling Stone, den man beim Papa mitliest, reicht der Bogen. Vertiefende Infos stammen meist aus dem Internet. Richtige Idole findet in der Musik trotzdem keiner der vom STANDARD befragten. Zwar hängen in den meisten Jugendzimmern Poster von Popstars, Idole - auch nicht außerhalb der Musik -, sind allerdings nicht dabei. Max kann sich zwar vorstellen, "dass jemand Hermann Maier bewundert", er selbst kommt ohne Idol aus.

Viki liebäugelt kurz mit Eminem, relativiert das allerdings sofort in "aber nicht wirklich". Bernadette: "Vom Anziehen her sind Popstars schon ein Einfluss, vom Verhalten her nicht." (Karl Fluch/DER STANDARD, Printausgabe, 6.11.2003)