IT-Business
"Viel Spaß, Bill!"
Linux-Entwickler Torvalds gibt Gates Tipps für die Zeit nach dem Rücktritt - Microsoft muss sich dem Wandel stellen
Redmond - Bill Gates und Microsoft gelten in der Computerbranche nicht gerade als besonders innovativ.
Schlüsselprodukte wie Windows oder der Internet-Browser von Microsoft beruhen auf Ideen, die von anderen
entwickelt wurden. Jetzt zieht es Bill Gates mit dem neuen Titel des «Chief Software Architect» wieder zurück in
die Garage - dorthin, wo er vor 25 Jahren mit der Software für den Bausatz-PC Altair noch Neues geschaffen hat.
Inzwischen ist aus der kleinen Garage im Hause Gates zwar ein Privatparkhaus für 40 Limousinen geworden.
Aber Software-Entwickler wie der Linux-Erfinder Linus Torvalds sehen im Schritt des Microsoft-Gründers die Chance für einen technologischen
Neuanfang. «Ich kann nur sagen: Viel Spaß, Bill!» erklärt Torvalds zum Rücktritt von Gates als Vorstandschef. Nur mit Spaß könnten neue und
interessante Dinge entstehen, bekräftigt der Finne. «Trotz allem hat er sicherlich die Fähigkeit dazu.» Freiwilliges Engagement und Freude an
der kreativen Software-Entwicklung sind die Grundlagen der Entwicklung des Betriebssystems Linux, das sich als zunehmend beliebtes
Alternativmodell zu der von Windows dominierten PC-Welt anbietet.
"Herausgefunden, dass er interessantere Dinge tun kann"
Offenbar habe Gates gemerkt, dass die letzten Jahre nicht besonders angenehm für ihn gewesen seien, sagt Torvalds. «Ich vermute, er hat
herausgefunden, dass er interessantere Dinge tun kann.» Ähnliche Beweggründe sieht auch der Cheftechniker der Software-Firma Novell,
Drew Major. Die Konzernführung und der Rechtsstreit mit dem Justizministerium hätten Gates immer mehr von der Software-Entwicklung
ferngehalten, sagt Major. «Er wird wohl immer in der Verantwortung bleiben, aber ich denke, er will jetzt mehr Spaß haben.»
Die wichtigste Frage laute jetzt, wie sich Microsoft selbst verändern wird, erklärt Marktforscher Michael Gartenberg von der Gartner Group. «Bill
kann der Visionär für diesen Wandel sein -jetzt, da er Zeit hat.» Auch wenn die Windows-Oberfläche auf dem Apple-Vorbild aufbaut und der
Internet Explorer hinzugekaufte Browser-Technik enthält - Microsoft hat auch völlig eigenständige Innovationen hervorgebracht. Dazu zählen
etwa die ClearType-Technik für einfacheres Lesen am Bildschirm, Entwicklungswerkzeuge wie Visual Basic oder Teile des Betriebssystems
Windows NT. Künftig aber kann sich Microsoft nicht mehr ganz auf den PC als Mittelpunkt der technischen Entwicklung verlassen, sondern muss
seinen Platz in einer neuen Landschaft finden, die von intelligenten Mobiltelefonen, anderen Kleingeräten und einem alles umfasenden
Computernetz bestimmt ist. (AP)