Peter Vujica

Wien - Der Andachtswinkel der Wiener Musikszene ist um ein vielfach stoßseufzend verehrtes Gnadenbild reicher. Es zeigt Franz Welser-Möst - seit Anfang des Vormonats überdies auch noch mit der schimmernden Gloriole eines unter Verzicht auf Proben beherzten einspringenden Tristan-und Holender-Retters an der Wiener Staatsoper.

Beim Cleveland-Orchestra, dessen Chefdirigent Welser-Möst seit dem Vorjahr ist, kann von Probenverzicht natürlich keine Rede sein. Umso erstaunlicher, dass es dem Österreicher da noch nicht so ganz gelungen ist, seiner Mann- und Frauenschaft das spezifische Idiom von Ludwig van Beethovens Pastorale in einem solchen Maß nahe zu bringen, dass mit dieser im ehrwürdigen Rahmen des Wiener Musikvereins Staat zu machen gewesen wäre.

Vielmehr wurde da etwas zu sorglos aus dem stilistischen Fundus von Welser-Mösts Vorgängern geschöpft und die geheimnisvoll romantische Verschleierung, die dieses Werk über weite Strecken auszeichnet, durch die aus Lorin Maazels Zeiten stammende eindrucksvoll schillernde Brillanz und die von Dohnányi kultivierte analytische Gestaltungscontenance ersetzt.

Letzteres kam vor allem der gläsernen Sperrigkeit zugute, mit der Claude Debussy in seinen Jeux eine Tennispartie in sorgsam ausbalancierte Klänge fasste und zu den aus den Streichern und Holz hoher Sensibilität aufsteigenden weichen Themengewächsen wirksam kontrastierte.

Richtig lustig wurde es erst, wie im Richard-Strauss-Titel - Till Eulenspiegels lustige Streiche - versprochen, zum Kehraus. Da fuhr die Musik voll in den Dirigenten, und es kam zwischen ihm und dem Orchester zum akustisch wirksamen und heftig akklamierten Dialog, dem Welser-Mösts etwas umständlicher gestischer Kanon, den man umgangssprachlich auch als genialisches Fuchteln mit steifem Handgelenk bezeichnen könnte, bei Beethoven nicht eben förderlich schien.