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STANDARD:  Wie ist die heutige Jugend?

Heinzlmaier: Sie ist wertkonservativ und sehr anpassungsfähig. Sie ist ziemlich intelligent und versucht anders zum Ziel zu kommen - nicht mit Revolution, sondern mit intelligenten Strategien. Ein Beispiel: Die Jungen gehen nicht unüberlegt mit einem Vorgesetzten auf Konfrontationskurs - sie halten sich zurück und denken: Ich warte mal ab, meine Zeit kommt schon.

STANDARD:  Warum revoltieren sie nicht?

Heinzlmaier: Das politische System hat eine so große Integrationskraft, dass die Streitkulturen gescheitert sind. Und diese Generation ist sehr wach, sie sieht, was bei Revolten herauskommt: Der, welcher aufbegehrt, ist am Ende der Verlierer.

STANDARD: Also eine Generation der Pragmatiker?

Heinzlmaier: So ist es: Sie sehen vielleicht ausgeflippt aus, sind aber pragmatisch und wertkonservativ ...

STANDARD:  Ticken Jugendliche und junge Erwachsene ähnlich oder gleich?

Heinzlmaier: Es gibt gravierende Unterschiede. Jugendliche, vor allem, wenn sie noch zu Hause bei den Eltern wohnen, sind viel unbeschwerter in allen Dingen. Junge Erwachsene erleben mit ihrer Integration in die Erwachsenen-Welt auch deren Probleme und Sorgen: eigenes Einkommen, eigene Wohnung, eigenes Leben in jeder Hinsicht. Das merkt man übrigens auch im Körperbewusstsein.

STANDARD:  Was bedeutet das?

Heinzlmaier: Die über 20-jährigen legen einen überbetonten Wert auf alles, was mit Fitness zu tun hat - das autonome, in sich gekehrte Abplagen mit dem eigenen Körper ist hier sehr stark: Man läuft, man trainiert an Geräten. Es geht darum, einen guten, repräsentativen Body zu haben. Der ist wichtig, um akzeptiert zu werden, sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben. Die Jugendlichen sehen das viel lockerer: Für sie ist Sport vor allem Fun-Sport. Insgesamt haben die jungen Leute heute aber ein sehr technokratisches Verhältnis zu ihrem Körper. Der Körperkult geht weg vom Gesundheitsaspekt hin zum "guten Aussehen". Es herrscht die Meinung, man könne aus seinem Körper alles machen, was man will - wenn man sich bemüht und das nötige Kleingeld hat.

STANDARD:  Wie sieht es mit dem Sozialverhalten aus?

Heinzlmaier: Ich würde provokant sagen, das ist eine Ego-Generation. Die Jugendlichen haben sehr wenige gute Freunde, die wichtig sind und auch gehegt und gepflegt werden - auf den Rest wird gepfiffen. So etwas wie eine Solidarität mit großer Reichweite ist eher nicht so angesagt.

STANDARD:  Wie kann man Jugendliche trotzdem bewegen, sich politisch zu engagieren?

Heinzlmaier: Indem man relativ konservative Inhalte in flippiges Design kleidet. Sie mögen alles, was irgendwie solide ist und Stabilität vermittelt, auch mit guten Manieren - alles andere ist zumeist ein wenig suspekt. Wie kann ich meine individuellen Spielräume nutzen, wie komme ich vorwärts, welche Möglichkeiten habe ich und wer unterstützt mich dabei - das sind die zentralen Fragen, die muss Politik beantworten.

STANDARD:  Sie forschen auch in Deutschland - gibt es Unterschiede zwischen Jugendlichen aus Ost und West?

Heinzlmaier: Ja - die ganz jungen "Ossis" sind oft sehr viel tougher und zielstrebiger als junge "Wessis". Der erste Schock über Materialismus und Konkurrenz im westlichen Kapitalismus ist längst vergangen. Die jungen gebildeten Ossis sind heute vielfach die besseren Kapitalisten. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.10./1./2.11.2003)