Isabella Reicher

Wien - Der ewige Widerstreit zwischen Verdrängen und Erinnern findet kein Ende. Ein Mann allein muss ihn auf sich nehmen. Während der Bockerer, österreichischer Kinoheld par excellence, also zum einen befindet, es müsse endlich "ein Ende sein mit dem Hitler", darf er zugleich der Einzige sein, dem seine Gegenwart fortwährend die "Nazi-Zeit" und die "Nazi-Methoden" in Erinnerung ruft.

Franz Antels Bockerer, einmal mehr verkörpert von Karl Merkatz, ist zuallererst einer, der vergeblich versucht, sein beschauliches Privatleben mit so genannter Bauernschläue von der äußeren Wirklichkeit abzuschotten: In Teil vier umwirbt der Verwitwete zunächst seine langjährige Haushälterin (Marianne Nentwich). Und weil "Prager Frühling" irgendwie so klingt wie von findigen Tourismusmanagern erfunden, geht die Hochzeitsreise zum ausgewanderten Adoptivsohn hinüber ins tschechische Kostelec.

Dort wird gerade Geschichte gemacht: Der Bockerer IV ist nämlich ein österreichischer Film aus dem Jahr 2003, der 1968 spielt - jenem Jahr, in dem sein Regisseur Franz Antel einst drei frivole Komödien veröffentlichte (Otto ist auf Frauen scharf, Der Turm der verbotenen Liebe, Frau Wirtin hat auch einen Grafen). Aber - und daraus macht Bockerer IV den dramatischen Höhepunkt seiner Erzählung - es ist auch das Jahr, in dem die Truppen des Warschauer Pakts in der Tschechoslowakei einmarschierten und dem Reformkommunismus des Prager Frühlings ein Ende bereiteten.

Den Wiener Fleischermeister verschlagen zu jenen historischen Zeiten also grenzübergreifende familiäre und geschäftliche Verbindungen aus dem Geiste der vorweggenommenen EU-Osterweiterung zu den kommunistischen Nachbarn ("Kommunismus mit menschlichem Antlitz!", wohlgemerkt).

Und er ist in der Folge nicht der einzige Österreicher, der den bedrängten Tschechen mit väterlichem Rat und Tat zur Seite stehen darf: Ein wackerer ORF-Korrespondent (Christian Spatzek) stößt irgendwann zur erweiterten Bockerer-Familie, bringt seinem tschechischen TV-Kollegen am Schneidetisch schnell bei, dass "Gesichter eine andere Sprache sprechen" als offizielle Kommentare, und informiert, umringt von einer Statisterie auf Stichwort nickender Einheimischer, die Weltöffentlichkeit von den dramatischen Vorkommnissen.

Auch das kann man im Übrigen, neben vielen anderen ins Bild gerückten Marken, als eine Form von Productplacement sehen - hat doch der ORF neben dem Österreichischen Filminstitut oder dem Filmfonds Wien das seine zu den Produktionskosten beigetragen. Aber: "Im Geschäft muss man liberal sein", sagt der Bockerer, und schließlich: "Der Schmäh ist aufgegangen."

Der Bockerer IV ist also ein österreichischer Film aus dem Jahr 2003, und das sieht man nicht nur, wenn der Titelheld eine alte Freundin bei ihrem Geschäft am Naschmarkt abholt und sich im Hintergrund, gleich einer Vision von künftigen Entspannungstechniken, die Yogi-Tee-Packungen stapeln. Ab Freitag im Kino
Kopf des Tages Seite 36