Ronald Pohl

Wien - Die Antwort auf die Frage, mit welchen Konzepten die aussichtsreichsten Bewerber um den Direktorensessel des Wiener Volkstheaters ihr Heil bei der Einreichung suchen, ist eine temperaments-abhängige. Auch Regisseur Michael Schottenberg merkt man die Reserve an: "Das ist wie DKT-Spielen. Wenn es von politisch verantwortlicher Seite gewünscht wird, fahre ich eben mit kleinen Spielsteinchen herum."

Die in seinem Fall nicht allzu bizarr lackiert aussähen. Schottenberg verspricht im Falle seiner Kür einen Kassasturz: "Natürlich hätte ein Neubeginn mit Glamour zu tun. Im Grundsatz gilt aber: Auch mit 10,8 Millionen Euro kann man eine Vision entwickeln." Die beruhe auf Gesinnung: "Man müsste den Unterschied zu Burg und Josefstadt neu geschärft herausarbeiten." Schottenberg möchte dem siechen Haus eine neue Art von politischer Geistesgegenwart verordnen: "Man muss die relevanten Themen aufgreifen und ,frische' Stücke herausschießen." Warum, so Schottenberg, solle man nicht "junge Wilde" auf die große Bühne lassen, denn: "Ich sage denen: Da hast du zwei Wochen lang die Hauptbühne - mach' was draus. Und am Schluss erwisch' ich einen neuen René Pollesch."
"Was ich weiters vermisse, sind Volksstücke" - worunter er auch Klassiker der Subversion wie Schillers Räuber zählt. Figuren der Volksmythologie - die Geierwally, der Kasperl, Till Eulenspiegel - sollten auf die Bühne: "Sie tragen die chemischen Gene des Volkes im Blut."

Gelernte Sparer

Auch Mitbewerber Stephan Bruckmeier möchte nicht schon vorab Engpässe bejammern: "Unsere Generation besteht doch aus gelernten ,Sparefrohs'! Natürlich kann man mit dem vorhandenen Budget ordentlich wirtschaften. Und die extrem kostspieligen Ausstattungsgiganten wird man eben nicht engagieren."
Bruckmeier, wie Schottenberg ein Verehrer des altehrwürdigen Abonnementsystems, verlangt einen programmatischen Generationensprung: "Es müssen doch endlich die Jüngeren das entscheidende Thema anpacken: Wie wird aus einer ehemals multinationalen Stadt eine neue, kosmopolitische Metropole in der Mitte von Europa?"

Bruckmeier versteht den Begriff "Volkstheater" als Antithese zum "Kunsttheater": "Nicht der Trend aus Berlin ist wichtig, sondern die Entwicklung politischer Inhalte, die man auch aus Osteuropa oder sogar Afrika beziehen kann." - Der gebürtige Niederösterreicher nennt das "Networking": "Ich bringe das ,Rucksackerl' eines Festivalleiters mit und versuche, den Begriff ,Randgruppen' international zu beleuchten."
Der Linzer Schauspielleiter Gerhard Willert verhehlt nicht seine Bewerbungslust, hält sich programmatisch aber noch bedeckt: "Mein Gott, ich habe meine Frau doch auch nicht per Heiratsannonce gesucht und gefunden!" Beziehungsvoller Zusatz: "Wofür ich stehe, scheint mir hinreichend bekannt."
Andrea Eckert spricht derweil in der Illustrierten News von den "brachialen Methoden kulturpolitischen Mobbings", die gegen sie angewendet würden. In ihrem Team seien "ein renommierter Festivalleiter, ein erfahrener Vizedirektor eines wesentlichen deutschen Theaters und ein an großen Häusern erfahrenes Organisations- und Finanzteam". Dem Vernehmen nach soll Roland Koberg vom Deutschen Theater Berlin als Dramaturg fungieren.
Eckert verfügt laut eigener Aussage über die Zusage eines Sponsors. Als Unterstützer firmieren Senioren wie Hans Magnus Enzensberger und Peter Turrini, Helmut Zilk und der frühere ORF-Generalintendant Gerd Bacher.