Bild nicht mehr verfügbar.

Am Empfang beim Präsidenten entzündet sich beispielhaft der Grundkonflikt zwischen der islamisch grundierten AKP und der alten kemalistischen Elite des Landes.
Foto: Reuters/GUANG NIU
Eigentlich hätte es ein ruhiges Fest zum 80-jährigen Bestehen der türkischen Republik geben können. Der drohende Einsatz türkischer Soldaten im Irak scheint erst einmal abgewendet, und die Wirtschaftskrise, die das Land in den letzten zwei Jahren gelähmt hat, weicht langsam einem vorsichtigen Aufschwung.

Doch aus dem ruhigen Fest wurde nichts. Rechtzeitig zum Jahrestag ist der eigentliche Konflikt der heutigen Türkei eskaliert. Der Konflikt zwischen Religion und Staat, manifestiert am islamischen Kopftuch der Frauen, ist in voller Schärfe entbrannt.

Kopftuchtragende Ehefrauen nicht geladen

Auslöser war eine Entscheidung des Präsidenten, zum Staatsempfang nur die Abgeordneten der oppositionellen CHP zusammen mit ihren Gattinnen einzuladen. Die Abgeordneten der regierenden AKP sollen allein kommen, da Präsident Ahmet Necdet Sezer befürchtet, kopftuchtragende Ehefrauen begrüßen zu müssen. Am Empfang beim Präsidenten entzündet sich beispielhaft der Grundkonflikt zwischen der islamisch grundierten AKP und der alten kemalistischen Elite des Landes.

Sezer und andere befürchten, dass die AKP letztlich die in der Verfassung verankerte Trennung von Staat und Religion aufheben. Gibt man in der Frage des Kopftuches nach und erlaubt die islamische Kleidung bei offiziellen Empfängen, wird es bald kein Halten mehr geben. Die AKP beklagt dagegen die Diskriminierung muslimischer Frauen, denen mit Kopftuch ja auch der Besuch der Universität verboten ist. Erst am Wochenende hatte in Ankara eine Demonstrationen von Studenten und Professoren stattgefunden, weil diese Bestimmung geändert werden soll. (DER STANDARD, Printausgabe 29.10.2003)