Brüssel - Als "durchaus legitim" hat Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) eine Initiative der EU-Finanzminister bezeichnet, wonach die größeren Mitsprachererechte des Europaparlaments bei der siebenjährigen EU-Finanzvorschau aus der EU-Verfassung gestrichen werden sollen. Es handle sich dabei aber um "keinen Geheimpakt", sagte Ferrero-Waldner am Montag bei den Beratungen der EU-Außenminister zur EU-Verfassung in Brüssel vor der Presse. Sie wollte sich nicht dazu äußern, ob sich Finanzminister Karl-Heinz Grasser ebenfalls für eine Einschränkung der Mitentscheidungsrechte des Europaparlaments ausgesprochen habe.

Das Papier habe auch im EU-Finanzministerrat (Ecofin) "keine Einstimmigkeit" gefunden, sagte die Außenministerin. "Interessant" findet Ferrero-Waldner, dass der italienische Finanzminister Giulio Tremonti hinter dem Vorschlag stehe, nachdem der italienische EU-Vorsitz stets vor einem Aufschnüren des Verfassungsentwurfes gewarnt hatte.

"Als Nettozahlerland ist es selbstverständlich, dass wir uns die Dinge ansehen", sagte die Außenministerin. "Wenn ein Vorschlag über unterschiedliche Budgetzahlen da ist, zum Beispiel zwischen (EU-Minister-)Rat und dem Europäischen Parlament, ist es für uns wichtig, dass der geringere Betrag angenommen wird."

VP-Karas kritisiert die Außenministerin

Als "unverständlich" bezeichnete Karas die Aussagen Ferrero-Waldner. Wenn dies legitim sei, stelle sich die Frage, warum man dazu ein Geheimpapier brauche, sagte Karas in einem Telefongespräch mit der APA. Auch gebe es einen "Widerspruch" zu den Aussagen von Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der die Existenz eines solchen Forderungskatalogs noch am Wochenende dementieren habe lassen.

"Die Vorgangsweise ist bedauerlich", kritisierte Karas. Der Wirtschaftssprecher der ÖVP-Delegation im Europaparlament sprach von einem großen Aufklärungsbedarf. Er habe EU-Währungskommissar Pedro Solbes und den italienischen Finanzminister und EU-Ratsvorsitzenden Giulio Tremonti zu einer Aussprache in den zuständigen Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments geladen.

Lunacek: Ferrero-Waldners Lob ist "ungeheuerlich"

Die Aussagen von Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hat die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, scharf kritisiert. "Mit dem Argument, Österreich sei Nettozahler und müsse deshalb die Budgetpolitik der EU von Regierungsseite bestimmen, drückt die österreichische Außenministerin ihr Mißtrauen gegenüber demokratischen Strukturen wie dem Europaparlament aus", ist in einer Aussendung Lunaceks vom Montag zu lesen.

Die Unterstützung der Forderungen der Finanzminister sei "ungeheuerlich und bedeutet, sollte sie tatsächlich umgesetzt werden, eine Aushebelung der Demokratie in Budgetfragen," so Lunacek. "Offenbar ist diese Unterstützung des Finanzminister-Paktes mit dem Argument, Österreich sei Nettozahler, schon Teil des Präsidentschaftswahlkampfes der Außenmininsterin", meinte Lunacek. Nur so könne ihre für die Demokratisierung der EU "völlig kontraproduktive Haltung" verstanden werden.

"Ferrero-Waldner soll endlich bekanntgeben, dass sie für die Bundespräsidentschaft kandidieren wird. Nur so kann Klarheit geschaffen werden darüber, welche Rolle sie derzeit eigentlich spielt," forderte Lunacek.

Kritik aus deutschen Regierungskreisen

Aus deutschen Regierungskreisen verlautete Kritik an dem Vorstoß der EU-Finanzminister. Die Verhandlungen über die EU-Verfassung seien "eine Konferenz der Regierungen und nicht der Ratsformationen". Wenn zusätzlich zu den Mitgliedstaaten auch jeder EU-Fachministerrat seine Meinung äußere, wäre das "ein Öffnen der Büchse der Pandora". Die EU-Außenminister wollen am Nachmittag über die umstrittenen EU-Finanzministerinitiative reden. (APA)