Wien - Nach Aufs und Abs ist er nun formal in der ersten Dirigierliga angelangt: Londons harten Orchesterboden hat Franz Welser-Möst ja einst gerade noch rechtzeitig verlassen, ist sanft im Zürcher Opernhaus gelandet, wo er sich in die Opernliteratur vertiefen konnte. Und nun ist der Oberösterreicher in Cleveland eine Beziehung eingegangen, die so gut anlief, dass man ihn gleich bat, noch etwas länger als geplant zu bleiben - nämlich bis 2012.

Qualität plus österreichischer Pass - so wird man auch hierzulande zum Objekt der Begierde: Auch an der Staatsoper ist Welser-Möst als Nachfolger von Seiji Ozawa als Musikchef im Gespräch; womöglich wird er auch den nächsten Ring des Nibelungen betreuen, den Ioan Holender mit Martin Kusej als Regisseur plant. Vorerst aber halten noch die Flitterwochen mit dem Cleveland Orchestra an, diesem musikalischen Präzisionsuhrwerk.

Kalte Perfektion ist natürlich nicht alles, und so spürt man im Musikverein Welser-Mösts Bemühen, dem Orchester eine Seele einzuhauchen. Bei Bruckner gelingt dies zweifellos und auch nicht mit den Mitteln des Sentimentalen. Bruckners 7. Symphonie präsentiert sich in straffer Form, Welser-Möst setzt auf flinke Tempi, schafft es so, die Konturen des Werkes nicht verschwimmen zu lassen.

Klar, dass er bei einem Orchester, das ein grandioses Pianissimo im Repertoire hat, auf diese Ausdruckskarte setzt. Da landet manches nahe der Stille, anderes wird regelrecht aus der Stille heraus entwickelt. Natürlich ist hier auch legatomäßiges Aussingen präsent; aber auffällig oft werden die Linien an der kurzen Leine gehalten, steht man vor einer diesseitig orientierten Kunst, die Höhepunkte intelligent ansteuert.

Umso intensiver entfalten diese ihre Aura, sei es im zweiten Satz oder im Finale, wenn die archaisch anmutende Monumentalität Bruckners erstrahlt. Dazwischen der dritte Satz, sehr leicht, beschwingt, lichtdurchflutet. Er hat nichts Schweres. In Summe eine intensive Angelegenheit, kompakt und voller Dringlichkeit - Unsauberkeiten des ersten Satzes sollten nicht ins Gewicht fallen. Wie auch der Ausflug in die Moderne mit Orion von Kaija Saariaho: ein nettes Stück zwischen wabernden Klangflächen und Spieldosenromantik.

In kulinarische Moderne-Bereiche entführten auch die Wiener Philharmoniker am Nachmittag: Friedrich Cerhas Baal-Gesänge - mit ihrem Wechsel zwischen schummrig-gespenstischer Kantilene und stilisierten Jazz- und Tanzmomenten - waren bei Zubin Mehta und Bariton Thomas Hampson in guten Händen. Zumal Mehta nach Verklingen des letzten Tones noch eine sinnvolle Weile innehielt, um vor dem ausbrechenden Applaus dem Werk einen Moment der Stille zu schenken. Danke, könnte man öfters vertragen.

Nett schließlich Schuberts dritte Symphonie; schillernd Strauss' Eulenspiegel. Da fiel auch nicht ins Gewicht, dass der Maestro nach einer Kollision mit einem Notenpult seinen Taktstock verlor. (tos/DER STANDARD, Printausgabe, 27. 10.2003)