Wien - Bei den ÖBB spitzt sich die Lage im Vorfeld der Reformen weiter zu. Laut Generaldirektor Rüdiger vorm Walde stehen die Reformschritte - abgesehen von einigen "juristischen Formulierungen" - weitgehend fest. Am Freitag hat Vorm Walde im ÖBB-Werk Wien Simmering rund 250 Eisenbahner über die Eckpunkte informiert. Dabei soll es laut Gewerkschaft zu "heftigen Wortgefechten" und "Pfeifkonzerten" gekommen sein. Der bereits laufenden Überstundenboykott soll laut Gewerkschaft bereits zu gröberen Beeinträchtigungen führen. Die Unternehmensleitung dementiert.

Wie sehr die Nerven blank liegen, zeigt, dass die Journalisten während der mehrstündigen Informationsveranstaltung bei eisigen Temperaturen vor die Tore des Werks verbannt wurden. Drinnen soll der ÖBB-Generaldirektor mit Protestplakaten wie "Vorm Walde steht im Walde und nicht zu uns", "Handlanger der ÖVP, Vorm Walde" oder "Regierung und ÖBB-Vorstand zerstören die Bahn" empfangen worden seien. Die Mitarbeiter hätten Sorge um ihren Arbeitsplatz und seien verunsichert. Die Stimmung sei kühl bis aggressiv gewesen, sagte der stellvertretende Eisenbahnergewerkschaftschef Gottfried Winkler nach den Gesprächen.

"Würde mich auch elend fühlen"

Auf die Fragen, wie er sich fühlen würde, wenn in seinen Vertrag eingegriffen würde, habe Vorm Walde geantwortet: Er würde "sich genau so elend fühlen" wie seine Mitarbeiter. Die Anpassungen seien jedoch notwendig, sagte der ÖBB-Vorstand selbst nach der Informationsveranstaltung.

Der Bahn-Chef gestand ein, dass seiner Mitarbeiter "Angst haben". Das Gesprächsklima bezeichnete er aber im Gegensatz zur Gewerkschaft als "okay und vernünftig". Um ihren Arbeitsplatz müssten sich die Mitarbeiter keine Sorgen machen. Problematisch sei nur, wenn Mitarbeiter das System negativ ausnützten. Schon von 1994 habe es einen Restrukturierungsprozess gegeben, der sich bis 2010 wiederholen werde, so Vorm Walde.

Arbeitsgruppe tagt

Am Freitagnachmittag tagt im Verkehrsministerium eine Arbeitsgruppe zur Strukturreform. Vorm Walde will dort nur noch kleine Änderungen verlangen. Ihm geht es im Wesentlichen nur noch um die Änderung der Definition des Unternehmenszwecks und um die Definition des Zusammenwirkens zwischen den Unternehmensbereichen, um bei Konzern-internen Auftragserteilungen Ausschreibungen zu vermeiden, sagt Vorm Walde. Ansonsten steht der Vorstand hinter der ÖBB-Reform.

Die Gewerkschaft spricht in einem Flugblatt, in dem sie für Verständnis für ihre Proteste und Zugsausfälle in den nächsten Wochen wirbt, von einem "Todesurteil für die Bahn". Die Belegschaftsvertretung warnt vor bis zu 30 Prozent höheren Bahnpreisen, weniger Zügen, weniger Sicherheit und Qualität, einer Lkw-Lawine auf der Straße, der Verschleuderung von öffentlichem Eigentum und dem Verlust von tausenden Arbeitsplätzen".

Am Freitag soll es laut Betriebsrats-Chef Winkler auf Grund des laufenden Überstundenboykotts bereits zu vier Personenzugsausfällen im Raum Graz gekommen sein. Im Güterverkehr sollen wegen der Proteste in Graz 40 Züge und in Wien 30 Züge stehen. Die Unternehmensleitung dementiert das jedoch. Ihrer Auskunft nach verkehren sowohl der Güter- als auch der Personenverkehr weiter nach Plan. Die Gewerkschaft rechnet mit gröberen Problemen in den nächsten Tagen.(APA)