Wien - Prüferin Johanna Ehmsen-Höhnl wurde am ersten Arbeitstag der Untersuchungskommission zum Pflegeskandal Lainz mehr als deutlich: Nicht nur, dass sie ihren Bericht, den sie nach der Anzeige eines Sachwalters zu Zuständen im Pavillon 1 im Geriatriezentrum "Am Wienerwald" (GZW) verfasst hatte, noch einmal detailliert darlegte. Zum Wiener Pflegesystem sagt die Sachverständige der MA 47 (Pflege): "Es ist trostlos." Und weiter: "Nach dem Artikel im STANDARD ist eine Welle losgegangen, Turbulenzen ohnegleichen. Ich bin froh, dass jetzt etwas passiert", sagte die Frau, die erste Zeugin im Rathaus gehört wurde.

Nach Aussagen von Ehmsen-Höhnl und Sachwalter Harald Haas - er hat stellvertretend für eine Klientin die Sache ins Rollen gebracht - war bereits zu Beginn der U-Kommission klar, dass Missstände am GZW nicht weiter banalisiert werden können.

Tag und Nacht im Bett

Haas, der als Sachwalter seine Klientin monatlich besucht hat, berichtete, dass sie dauernd habe im Bett liegen müssen. Er sei zu verschiedenen Tageszeiten gekommen - sein Schützling lag im Bett. Er habe einen Besuchsdienst organisiert, damit die Dame ab und zu ins Freie kam. Beschwerden übers Essen oder über mangelnde Hygiene habe seine Klientin nicht geäußert. Nach viel mündlicher Kritik habe er sich schließlich an die MA 47 gewandt. Haas sagte, dass er nicht einzelnen Personen die Schuld geben wolle. Der Personalmangel sei offensichtlich gewesen; dass sich niemand gekümmert habe, "war eine Teamfrage". Wie berichtet, hat auf der Station ein schlechtes Klima geherrscht, in dem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kaum Verantwortung für die ihnen Anvertrauten zeigten. Einige von ihnen wurden in andere Pflegeteams integriert.

Kontrolle überrascht

Prüferin Ehmsen-Höhnl beschäftigt in diesm Zusammenhang auch der Umgang mit der Causa. "Ich war entsetzt", gab sie zu Protokoll, dass der anlässlich ihrer Prüfung herbeigerufenen Pflegedirektor mit Schulterzucken reagiert habe. Er habe nichts zu den Missständen gesagt, nur, dass er dringend weg müsse. Er habe gewusst, dass die Pflegedokumentation unvollständig war, sogar zu Hygienemängeln bei Patienten habe er bloß genickt. "Ich glaube, dort war man überrascht, dass es die Heimaufsicht gibt."

Deutlich wurde auch, dass in städtischen Pflegeeinrichtungen keine Kontrollen der Aufsichtsbehörde stattgefunden haben. Schon bei Bekanntwerden der ersten Missstände hat man seitens des Krankenanstaltenverbunds, in dem die städtischen Pflegeheime verwaltet werden, zugegeben, dass man nur intern kontrolliert habe. Erst Monate nach der Anzeige des Sachwalters habe sie von ihrem Vorgesetzen den Auftrag bekommen im Pavillon 1 zu prüfen, so Ehmsen-Höhnl. Zuvor habe sie nur Heime des Kuratoriums "Wiener Pensionistenhäuser" oder private Einrichtungen geprüft. Das läge auch daran, dass sie die einzige Sachverständige für Pflege bei der Stadt sei, das Team überhaupt nur aus drei Personen bestehe, man also für stadtweit bis zu 14.000 Heimbewohner zuständig sei.

Positiv äußerte sich Ehmsen-Höhnl zu Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann (SP). Diese habe ein "offenes Ohr" gehabt und sie gebeten, genau zu kontrollieren. Auch positive Beispiele in der Pflege betont die Sachverständige mehrmals.

Erste Querelen

Schon vor dem Bericht der Zeugen begannen politische Querelen innerhalb der U-Kommission. Die Kommission, die sich aus Parteienvertretern unter der Führung des früheren Richters Karlhans Körber zusammensetzt, stritt abermals um das SP-Mitglied Rudolf Hundstorfer, dem VP, FP und Grüne vorwarfen, wegen seiner Gewerkschaftstätigkeit befangen zu sein. Um den Ablauf der Befragung stritten FP-Gemeinderat Wilfried Serles und Grün-Abgeordnete Sigrid Pilz: Wer als erster seine Fragen an die Zeugen stellen dürfe. (Andrea Waldbrunner; DER STANDARD Printausgabe 24.10.2003)