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Vladimir Putin und Leonid Kutschma streiten um eine kleine Insel

Foto: Reuters/Demianchuk
Kiew/Moskau - Ein seit Wochen schwelender Streit zwischen der Ukraine und Russland um die Seegrenze nahe der Halbinsel Krim hat sich am Donnerstag so verschärft, dass Moskau sich offensichtlich gezwungen sah, die Notbremse zu ziehen. Auf Anweisung von Ministerpräsident Michail Kasjanow wurden die Arbeiten an dem umstrittenen russischen Hochwasserdamm im Golf von Kertsch vorerst eingestellt.

In den nächsten Tagen sollen zwischen Kiew und Moskau Verhandlungen stattfinden. Bereits zuvor hatte der russische Außenminister Igor Iwanow ein Krisentreffen mit seinem ukrainischen Kollegen Konstantin Grischtschenko angekündigt.

Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma brach wegen des Streits eine Lateinamerikareise ab und flog am Donnerstag auf die Insel Tusla, die im Golf von Kertsch liegt. Danach sagte er vor der Pesse, die Ukraine und ihre 48 Millionen Einwohner würden nicht "in angemessener Weise respektiert". Man habe aber "dramatische Entwicklungen" abgewendet.

Schiffe gerammt

Kiew hegt den Verdacht, Moskau wolle mit dem Damm die Seegrenze infrage stellen und einen Anspruch auf die Insel Tusla erheben. Nach ukrainischen Angaben wurde der Dammbau bereits bis auf hundert Meter zu der mit Bojen markierten Seegrenze vorangetrieben. Auf Tusla sind ukrainische Truppen stationiert worden. Am Donnerstag "befestigte" die ukrainische Küstenwache die Seegrenze mit Pontons. Nach Moskauer Angaben haben ukrainische Küstenwachschiffe nahe Tusla einem russischen Schlepper zwei Rammstöße ver- setzt. Moskau begründet den Dammbau mit notwendigem Hochwasserschutz.

Die Halbinsel Krim und damit auch Tusla wurden 1954 vom sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow seiner Heimatrepublik Ukraine geschenkt. In weiten Teilen der russischen Bevölkerung wird dies bis heute nicht akzeptiert. Umgekehrt lösen russische Aktionen, die aus der Sicht Kiews die Souveränität der Ukraine infrage stellen, auf ukrainischer Seite stets nationale Aufwallungen und antirussische Proteste aus.

Oppositionsführer Viktor Juschtschenko, Expremier und wahrscheinlicher Präsidentschaftskandidat im kommenden Jahr, sagte nach einer Krisensitzung von Parlamentariern in Kiew, die Beziehungen zu Moskau hätten das bisher niedrigste Niveau erreicht. (Reuters, dpa, jk/DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2003)