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Massumeh Ebtekar: Revolutionärin, Vizepräsidentin des Irans, Universitätsprofessorin, Ärztin, Journalistin und Mitherausgeberin der Frauenzeitschrift "Farzaneh"
Foto: APA/epa/ AFP

Wien - Die iranische Vizepräsidentin Massumeh Ebtekar hat die Verleihung des Friedensnobelpreises an ihre Mitbürgerin Shirin Ebadi als "positiven Impuls" für die iranische Politik bezeichnet. Die Tatsache, dass diese Auszeichnung der iranischen Rechtsanwältin Ebadi zuerkannt wurde, "zeigt das große Potenzial der iranischen Frauen", sagte Ebtekar am Donnerstag nach einem Meinungsaustausch mit Bundespräsident Thomas Klestil in Wien. "Die Frauen sind ein zunehmend bedeutsamer Faktor in der iranischen Politik."

Bedürfnis für Refomen

Die Stellvertreterin von Präsident Mohammad Khatami, der in der klerikalen iranischen Führung als reformorientiert gilt, wies darauf hin, dass 60 Prozent der StudentInnen an den iranischen Universitäten weiblich sind. Zur Stellung der Frauen in der Islamischen Republik führte sie aus, die Gesetze des Islam "werden jetzt durch das Parlament interpretiert", um sie in Einklang mit den Bedürfnissen der iranischen Gesellschaft zu gestalten. Ebtekar räumte ein: "Es besteht ein Bedürfnis für Reformen." Es gebe aber viele Hinweise darauf, dass die Frauen in der iranischen Gesellschaft vorankommen.

Reaktionen auf die Preisvergabe

Die iranische Menschenrechtskämpferin Ebadi, diesjährige Friedensnobelpreisträgerin, hatte nach der Zuerkennung des Preises durch das Osloer Nobelkomitee in einem Interview radikale Reformen in ihrer Heimat eingefordert. Sie verlangte die Abschaffung des islamischen Strafrechts. Auf der Basis der Scharia sind körperliche Strafen wie Steinigung und Amputation von Gliedmaßen legitim. Die Reaktionen auf die Preisverleihung waren im Iran gemischt. Während gemäßigte Kreise von der "richtigen Wahl" und einer Würdigung der Verdienste Ebadis um die Menschenrechte sprachen, hatten Fundamentalisten die Entscheidung als "Einmischung in innere Angelegenheiten" verurteilt.

Geist der Demokratie verlorengegangen

Generell hielt Vizepräsidentin Ebtekar in ihrer kurzen Stellungnahme gegenüber österreichischen JournalistInnen in der Hofburg fest, dass das iranische Volk "ein religiöses Volk" sei. Das politische System ihres Landes bezeichnete sie als ein "System islamischer Demokratie". In vielen Ländern sei "der Geist der Demokratie verloren gegangen", fügte Ebtekar hinzu.

Leitfigur

Ebtekar gilt als weibliches Aushängeschild der Islamischen Republik Iran. Die Universitätsprofessorin und Ärztin mit Fachgebiet Immunologie hatte mehrere Jahre in den USA studiert. Sie ist Mutter von zwei Kindern. Von 1981-83 war Ebtekar Chefredakteurin der englischsprachigen Teheraner Zeitung "Kayhan" und zeichnet für die Herausgabe der Frauenzeitschrift "Farzaneh" verantwortlich. Sie hat eine hohe Position im iranischen Frauenverband inne und leitet unter anderem das Netzwerk der Frauen-NGOs im Iran. Bei zahlreichen Anlässen vertrat sie ihr Land in internationalen Organisationen.

Die heute 43-jährige iranische Politikerin war auch eine Revolutionärin der ersten Stunde: Die iranische Exil-Opposition warf Ebtekar vor, zu den AlteurInnen bei der Besetzung der US-Botschaft in Teheran 1979 gehört zu haben. Damals hatten islamistische iranische StudentInnen über 50 US-BürgerInnen 444 Tage lang im Botschaftsgebäude als Geiseln gehalten. Im Gegensatz zu den USA, mit denen es zum totalen diplomatischen Bruch kam, hat sich die EU immer bemüht, den Dialog zum Iran aufrecht zu erhalten. (APA)