Victor Conte in seinem Labor.

San Francisco/Kalifornien - Victor Conte war von 1965 bis 1983 fast zwei Jahrzehnte lang als Jazz- und Soul-Bassist von Gruppen wie "Common Ground" oder "Tower of Power" unter dem Spitznamen "Walkin' Fish" bekannt. Doch seit voriger Woche spielt der 53-Jährige, der 1979 und 1980 auch mit Jazz-Superstar Herbie Hancock zusammengearbeitet hat, nicht mehr im Hintergrund, sondern steht als mutmaßlicher Erfinder des Designer-Steroids Tetrahydrogestrinone (THG) im Mittelpunkt.

Bereits in den frühen 1980er Jahren war Conte, der auf insgesamt 15 Alben als Musiker mitwirkte, auf die "Sportbühne" gewechselt, wo er seither ebenfalls im Hintergrund als Spezialist für Nahrungsergänzungsmittel werkt und mit dem von ihm 1984 gegründeten "Bay Area Laboratory Co-Operative" (BALCO) in Burlingame bei San Francisco vor allem Stars im Baseball, Football und in der Leichtathletik mit diversen "Mittelchen" versorgt. Wohl nicht zufällig hat ein Album von Conte den zukunftsweisenden Titel "Pure Food and Drug Act" getragen.

Conte beteuert Unschuld

"Mein Klient ist unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist", erklärte Contes Anwalt, Robert Holley, zu Wochenbeginn. "Soweit ich weiß, ist er nur das Ziel einer Untersuchung." Conte selbst leugnet bisher die Herstellung des anabolen Präparats THG vehement. Er habe nichts Falsches getan, weil THG weder ein Steroid noch illegal sei oder irgendwelchen anabolen Effekte besitze, wird der Kalifornier nicht müde zu betonen und wirft der US-Anti-Doping-Agentur (USADA) vor, sie habe große Teile der Skandal-Geschichte erfunden. "Meiner Meinung nach geht es bei dieser Sache mehr um Politik als um Wissenschaft! Die Anschuldigungen gegen mich sind unwahr, ich folge deshalb dem Rat meines Anwalts und sage nichts mehr zu diesem Thema."

Conte, dessen Wissenschaftler-Team nach individuellen Blutanalysen Nahrungsergänzungsmittel zusammenstellt, "um Defizite des betreffenden Athleten zu korrigieren", zählt jedenfalls zu den vom Bundesgericht in San Francisco geladenen Zeugen im größten Doping-Skandal der Sportgeschichte. Mehr als 40 Athleten aus olympischen und verschiedenen anderen Profi-Sportarten wurden vorgeladen, darunter auch die wegen Modafinil-Dopings vor der Aberkennung ihrer beiden WM-Goldmedaillen stehende US-Sprinterin Kelli White.

Who is Who der Leichtathletik

Zu den bekanntesten Klienten von Contes Firma BALCO zählen Baseball-Superstar Barry Bonds, Sprint-Queen Marion Jones sowie 100-m-Weltrekordler Tim Montgomery, früher beriet er auch den Tennis-Weltranglisten-Ersten Ivan Lendl. Außerdem nahm Conte die Schuld auf sich für den Dopingfall von Kugelstoß-Weltmeister C.J. Hunter, den Ex-Mann der dreifachen Olympiasiegerin Jones, indem er dessen Nandrolon-Spuren in einer Dopingprobe auf von ihm gelieferte, verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel zurückführte.

Aus demselben Grund sollen auch Großbritanniens 100-m-Olympiasieger Linford Christie und Jamaikas Topsprinterin Merlene Ottey (startet nun für Slowenien), die ebenfalls beide dasselbe Mittel wie Hunter von Conte bezogen, im Vorfeld der WM 1999 in Sevilla positive Dopingproben abgeliefert haben. Und zu guter Letzt war es auch der Mediziner Brian Goldman, der schon lange mit BALCO kooperiert, der White das Stimulanzium Modafinil verabreicht hat. Die Afroamerikanerin begründete am Rande der WM im August in Paris, dass sie dieses Mittel nur wegen der in ihrer Familie grassierenden Erbschlafkrankheit Narkolepsie einnehme. (APA/AFP)