Niemand in der FPÖ hat so viel Macht wie Jörg Haider, das ist nicht neu. Neu hingegen ist, dass bei ihrer Ausübung nicht einmal mehr auf eine Knittelfelder Aura basisdemokratischer Legitimierung Wert gelegt wird. Das mag manchen FP-Funktionär grämen, es ist aber verständlich, denn die Zeit drängt - nur noch wenig mehr als vier Monate sind es bis zu den Landtagswahlen in Kärnten, die Haiders politisches Schicksal bestimmen: Entweder Abwahl als Landeshauptmann und Abgang in Bedeutungslosigkeit oder Wiederwahl und neue Hoffnung. Derzeit scheint es ausgeschlossen, dass er eine Wiederwahl aus eigener Kraft schafft. Also musste etwas geschehen.

Auch dass Jörg Haider keine Loyalität gegenüber loyalen Mitstreitern kennt, wenn es gilt, die eigene Haut zu retten, ohne eigene Verantwortung zu übernehmen, ist nicht neu. Neu ist seine Taktik, die Bundespolitik in seine Kärntner Wahlbewegung hineinzuziehen. Normal ist in Österreich, dass Landeshauptleute, die vor einer Wahl stehen, mit Bundespolitik höchstens insofern etwas zu tun haben wollen, als sie ihr die Schuld an den Übeln im eigenen Bundesland zuschieben. Zuletzt verkörperte Oberösterreichs Josef Pühringer diese Normalität. Haider hingegen drängt sich geradezu vor, den Chefverhandler seiner Partei beim wenig begeisternden Regierungsprojekt Steuerreform machen zu dürfen - ohne in Regierungsverantwortung eingebunden zu sein.

Egal, welchen Verlauf diese Verhandlungen nehmen, der Chefverhandler aus eigener Machtverkommenheit hofft in jedem Fall auf die Chance einer politischen Gewinnmitnahme. Kann er Wolfgang Schüssel und seinem Finanzminister in den nächsten Wochen noch eine Kleinigkeit aus dem angeblich schon zugeknüpften ersten Reformsack herausstibitzen, bestreitet er die letzten Wochen des Kärntner Wahlkampfes als Robin Hood. Gelingt dies nicht, kann er noch immer sagen, für den kleinen Mann habe er auch noch das Opfer eines Kampfes auf Bundesebene auf sich genommen, sei aber an der sozialen Gewissenlosigkeit der Volkspartei gescheitert.

Das hält die ÖVP gelassen aus, hat sie doch selbst dann kaum ein Interesse daran hat, Haider vor dem 7. März zu Erfolgen zu verhelfen, wenn sie nachher bereit sein sollte, ihn wieder zum Landeshauptmann zu machen. So erscheint Haiders Drohung, sich direkt in die Steuerreform-Verhandlungen einzuschalten, eher als eine Flucht vor den Kärntner Problemen, die nicht gemeistert zu haben ihm die Kärntner in Meinungsumfragen derzeit bestätigen. Weil er fürchtet, im Heimspiel nicht ausreichend punkten zu können, sucht er im Bund nach dem umso dringender benötigten Auswärtserfolg.

Da kann man sich nicht länger mit Leuten zeigen, die auf ihrem Status als Symbolfiguren freiheitlichen Misserfolges auch noch hartnäckig beharren. Zeit, dass die Rollen altbackener Funktionäre wieder einmal neu verteilt wurden, um wenigstens die Illusion von Wandel und Dynamik zu erzeugen. Nur die Umstellung des blauen Marionettentheaters auf Familienbetrieb ist eine wirkliche Neuerung in der heimischen Parteienlandschaft.

Entweder es gibt außer seiner Schwester niemanden mehr, dem Haider die Führung der Partei unter seiner Führung zutraut, oder er vertraut niemand anderem mehr als seiner Schwester. Dass die Familie die Keimzelle des Staates sei, ist eine alte Vermutung. Dass sie es bis zur Keimzelle einer Partei bringen kann, stellt den familienpolitischen Idealen des FP-Chefs ein schönes Zeugnis aus. Der von ihm gepflegten Personalreserve weniger.

Und das sonstige Klimbim dieser Regierungsumbildung? Belästigung des Bundespräsidenten wäre der treffende Ausdruck. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 22.10.2003)