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Böhler-Chef Raidl macht seinem Ärger Luft: "Dieser Abschluss ist eindeutig zu hoch"

APA/JAEGER ROBERT
Wien - Für die 180.000 Metallarbeiter und Industrieangestellten gibt es ab 1. November deutlich mehr Geld: Die Ist-und Kollektivvertragslöhne steigen um 2,1 Prozent, mindestens aber um 35 Euro. Darauf haben sich die Sozialpartner in der Nacht auf Dienstag verständigt.

"Dieser Abschluss ist eindeutig zu hoch. Er erhöht den Druck auf die Unternehmen, nach Osten abzuwandern." Am Tag nach der nächtlichen Metalllohnrunde machte Böhler-Generaldirektor Claus Raidl seinem Ärger über die vereinbarte Tarifanhebung um 2,1 Prozent Luft.

"Das wird sicher Konsequenzen haben"

Zusammen mit den drei Schlüsselfaktoren Wirtschaftswachstum, Inflation, Produktivität und konjunkturbedingt unmöglichen Preissteigerungen sei der Beschäftigungseffekt "eindeutig negativ". "Das wird sicher Konsequenzen haben", ist Raidl im STANDARD-Gespräch überzeugt. Diese wären: Betriebe wandern verstärkt ab und drosseln Investitionen.

Überraschend kommt die Kritik des Böhler-Chefs, der selbst nicht im Verhandlungsteam sitzt, freilich nicht. Er hatte bereits im Vorfeld für einen Abschluss unter der Inflationsrate plädiert. Diese wird vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) für heuer mit 1,3 und 2004 mit 1,2 Prozent prognostiziert.

"Industrie hat ihren Teil zum Weihnachtsgeschäft beitragen"

Arbeitgeber-Chefverhandler, Leitz-Chef Hermann Haslauer, ist dieses Ritual gewöhnt. Für ihn passt der Abschluss: "Einflüssen von außen wie der Pensionsreform haben wir nicht Rechnung getragen. Wir haben uns auf die wirtschaftliche Entwicklung konzentriert, und das haben wir umgesetzt", sagte er im Ö1-Radio. "Wir, die Industrie, haben mit diesem Abschluss unseren Teil zum Weihnachtsgeschäft beigetragen", sagte ein anderer Verhandlungsteilnehmer.

Für Ewald Walterskirchen, Industrieexperte des Wifo, sind die 2,1 Prozent Erhöhung von Ist- und KV-Entgelten bei so niedriger Inflationsrate "ein hoher Abschluss", der kräftige Bruttoreallohnsteigerungen zulasse. Im Vergleich mit den Lohnprognosen für die Eurozone liege Österreich aber immer noch unter dem EU-Durchschnitt (2,7 Prozent). Erleichtert worden sei der kräftige Abschluss vermutlich auch durch Unternehmensumfragen und Erwartungen, dass es nächstes Jahr besser würde mit der Konjunktur.

Verteiloption sorgt für Flexibilität

"Der Abschluss passt ganz gut in die ökonomische Landschaft", sagt sein Wifo-Kollege Wolfgang Pollan. Die Verteiloption (0,6 Prozent der Lohnsumme) gebe den Unternehmen Gelegenheit, flexibler zu agieren. Und die Erhöhung der Löhne um 2,1 Prozent würde kaum dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit zu verringern, werde diese aber auch nicht erhöhen. Allerdings könnte diese dazu führen, dass vor allem bei den schlecht ausgebildeten Beschäftigten, die am stärksten vom Jobverlust bedroht sind, die Arbeitslosigkeit zunimmt.

Karl Proyer von der Gewerkschaft der Privatangestellten glaubt das nicht; durch den Mindestbetrag von 35 Euro bekämen die unteren Einkommensgruppen eine Lohnerhöhung von rund 2,5 Prozent.

Harald Sommerer, Finanzchef vom Leiterplattenhersteller AT&S, warnt vor einem ähnlichen KV-Abschluss in der Elektroindustrie: "Das ist ein Witz. Wir haben kein Wachstum, jedes Jahr zu hohe Abschlüsse, und der Preis verfällt ununterbrochen." (DER STANDARD Printausgabe, 22.10.2003, ung)