Foto: Viennale
Eine Bewegung in den Hintergrund unzähliger Filmerzählungen: Die Viennale zeigt "Los Angeles Plays Itself", Thom Andersens monumentale Untersuchung zur wechselhaften Rolle von Los Angeles im Film.


Worum es geht, wird gleich zu Anfang fest gemacht: "Das ist die Stadt. Los Angeles, Kalifornien. Hier werden Filme gedreht. Ich lebe hier. Und manchmal denke ich, das gibt mir das Recht, die Art wie Filme die Stadt abbilden zu kritisieren." Der US-Filmhistoriker Thom Andersen, vor drei Jahren Kokurator der Viennale-Retrospektive Blacklisted, hat dieser Überlegung Taten folgen lassen.

Für Los Angeles Plays Itself hat Andersen von Beginn der Filmgeschichte bis in die Gegenwart unzählige einschlägige Filmszenen zusammengetragen (sein Cutter Yoo Seung-hyun hat sie kongenial montiert, Kamerafrau Deborah Stratman punktuell um dokumentarische Stadtaufnahmen ergänzt).

Drei große Abschnitte gliedern den fast dreistündigen Film, der verschiedensten Themenkreisen folgt, sich fein verzweigt, selber absurde Bilder vom Wirken der US-Filmindustrie vor Ort macht (improvisierte Wegweiser in der Stadt, die zu Drehorten führen) - und manchmal vielleicht auch allzu schnelle Schlussfolgerungen zieht: "The city as background" widmet sich unter anderem der wechselvollen Geschichte einzelner Gebäude - das Bradbury Building in Downtown Los Angeles oder das Ennis House von Frank Lloyd Wright -, die im Lauf der Jahrzehnte quasi unterschiedlichste Rollen verkörperten und unter anderem in Filmen wie Blade Runner oder The House on Haunted Hill auftauchen.

In diesem Teil setzt sich Andersen unter anderem auch ausgiebig mit "gefälschten Topografien" oder "Hollywoods Krieg gegen die moderne Architektur" auseinander (die größten Schurken bewohnen oft die Landmarks der US-Moderne). In "The city as character" wendet er sich dagegen jenen Filmen zu, in denen er einen "präzisen Sinn für Orte" feststellt und bei denen - von Billy Wilder über Michelangelo Antonioni bis Jacques Deray - häufig zugereiste Regisseure und Autoren für ungewöhnlich treffende Stadtbilder verantwortlich zeichnen.

In "The city as subject" schließlich vertieft Andersen viele Beispiele, die er vorher bereits unter anderen Aspekten einfließen hat lassen: Spätestens seit den 70ern beschäftigen sich Filme, teils auf verschobene Art und Weise mit der "geheimen Geschichte" der Stadt - mit der Segregation, mit der "Abwertung des öffentlichen Raums", mit anderen Seiten von Los Angeles, die beispielsweise nicht die notorischen Autofahrer, sondern die Fußgänger oder die Passagiere der städtischen Verkehrsmittel bevölkern.

Wie schon vorher führt Andersen auch hier historische Ereignisse und Entwicklungen mit ihren filmischen Übersetzungen zusammen. Los Angeles Plays Itself ist in diesem Sinne nicht nur Film-, sondern auch Kulturgeschichte. Die letzte halbe Stunde schließlich gilt den "neorealistischen" Los-Angeles-Bildern:

Die Ausschnitte aus raren Filmen wie Kent MacKenzies The Exiles (1961), Haile Gerimas Bush Mama (1975) oder Charles Burnetts Killer of Sheep (1977) alleine machen diesen ungewöhnlichen Film unbedingt sehenswert. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2003)